BERLINER MORGENPOST: Platzeck darf sich keine Panne mehr leisten – Leitartikel

Mit fünf Ministern von der SPD ist Matthias
Platzeck vor anderthalb Jahren in seinem rot-roten Kabinett in
Potsdam gestartet. Am Donnerstag hat er bereits den dritten
Ressortchef verloren. Erst ging Infrastrukturministerin Jutta Lieske
aus persönlichen Gründen. Dann folgte nach wochenlanger Hängepartie
und einer unappetitlichen Affäre Innenminister Rainer Speer. Und
jetzt wirft Bildungsminister Holger Rupprecht das Handtuch, weil er
so dumm und eitel war, sich für den privaten Winterurlaub von einem
Autohaus einen 100.000-Euro-BMW für lau geben zu lassen. Peinlich
seine Entschuldigungen: Er habe testen wollen, ob sich das
Allradgefährt nicht besser als Dienstwagen eigne. Das klingt fast so,
als habe er sich für die Zukunft des Landes wappnen wollen.
Geländewagen für alle, dafür spart sich das klamme Land die Reparatur
von Straßen in entlegenen Regionen. An Platzecks Position geht der
Exodus seiner eigenen Leute nicht spurlos vorüber. Gerade hatte sich
der beliebte Landesvater wieder hochgerappelt, nachdem er zu lange
gezaudert hatte, seinem Freund Speer die Unterstützung zu entziehen.
Große Pläne will der Ministerpräsident nun schmieden. Eine Vision für
Brandenburg 2030 will er entwickeln, Landkreise neu schneidern,
Verwaltung verkleinern, die Infrastruktur entsprechend dem
Bevölkerungsschwund schrumpfen, um mit dem künftig knapperen Budget
auszukommen. Das alles sind die richtigen Themen für Brandenburg,
über die zu diskutieren lohnt. Aber immer wieder grätschen seine
Leute ihm dazwischen. Platzeck versteht immer noch nicht, mit solchen
Affären umzugehen. Wieder hat er sich treiben lassen, anstatt
Tatkraft zu beweisen und die Sache so zu bereinigen, wie sie ausgehen
musste: mit einem Rücktritt. Die SPD überließ die Entscheidung quasi
dem Staatsanwalt. Wenn der Anklage erhebe, müsse der Bildungsminister
gehen, hieß es. Jeder Strafverfolger musste da in die Spur gehen, um
nicht den Verdacht zu erwecken, er schone „die da oben“. Die Menschen
reagieren zu Recht sensibel, wenn sie den Eindruck haben, ihre
Politiker sicherten sich Privilegien, die ihnen nicht zustehen. Das
gilt erst recht für eine rot-rote Regierung, die sich das Soziale auf
die Fahne geschrieben hat. Nicht bezahlte Alimente wie im Falle Speer
oder eine Gratis-Spritztour im Luxus-Auto wie bei Rupprecht stehen in
deutlichem Kontrast zu dem, was SPD und die Linke predigen. Aber die
Selbstverständlichkeit der Macht scheint nach 20 Jahren an der
Regierung vielen Sozialdemokraten den Sinn dafür vernebelt zu haben,
was man als Spitzenpolitiker eben einfach nicht macht. Der SPD fehlt
der Druck, weil niemand in der Opposition sie wirklich herausfordert
und alle anderen Parteien sich als möglicher Koalitionspartner der
„Brandenburg-Partei“ sehen. Während die Linke in der Regierung nach
dem desaströsen Start und den diversen Stasi-Verstrickungen jetzt in
die Spur gefunden hat, können sich der Ministerpräsident und seine
SPD keine weitere Panne mehr leisten. Regierungskunst besteht auch
darin, untadeliges Personal auszuwählen. In dieser Disziplin zeigt
Platzeck Schwächen, die seine eigene Position gefährden.

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