BERLINER MORGENPOST: Privatschulen sind unverzichtbar – Leitartikel von Isabell Jürgens

Privatschulen? Das sind doch diese Eliteschulen,
die Bestenauslese betreiben und darüber hinaus nur Schüler aufnehmen,
wenn die Eltern die horrend hohen Schulgebühren bezahlen. In der
Öffentlichkeit ist diese Vorstellung von Privatschulen leider immer
noch weit verbreitet – und schlicht falsch. Sicher gibt es einige
wenige Privatschulen, die einzig auf die betuchte Klientel schielen.
Doch der bei Weitem größte Anteil der freien Träger ist bemüht, allen
Kindern, unabhängig vom Einkommen der Eltern, eine Chance zu geben.
Das Schulgeld, etwa bei den evangelischen Schulen in Berlin, beginnt
bei 45 Euro im Monat und ist nach Einkommen gestaffelt.
Geschwisterkinder zahlen die Hälfte. Ganz auf Schulgebühren können
die freien Träger jedoch nicht verzichten, denn das Land Berlin
erstattet ihnen nur gut zwei Drittel ihrer Gesamtausgaben.

Sicherlich: Es wäre schön, wenn die staatlichen Schulen ein breit
gefächertes Angebot bereithielten, sodass jedes Kind das passende
Schulkonzept findet. Egal, ob hochbegabt oder mit einer
Lese-Rechtschreib-Schwäche. Und ebenso unabhängig davon, ob seine
Eltern in einem sogenannten Problembezirk wohnen. Solange das aber
nicht so ist, werden sich die Privatschulen in Berlin nicht eindämmen
lassen. Die staatlichen Schulen werden sich der privaten Konkurrenz,
die ihnen in den vergangenen Jahren erwachsen ist, also stellen
müssen.

Dass die Zahl der Privatschulen auch weiterhin wachsen wird, ist
sicher. Auch wenn in den vergangenen Jahren der Anteil der
Privatschüler in Berlin schon von fünf auf zehn Prozent gestiegen
ist, wird der Andrang bei den freien Trägern vermutlich noch eine
Weile anhalten, die Anmeldelisten sind meist extrem lang. Der
internationale Vergleich zeigt außerdem, dass der Anteil von
Privatschulen in Berlin im internationalen Vergleich immer noch
deutlich unter dem Durchschnitt liegt. In den OECD-Ländern gehen 14
Prozent aller Schüler auf eine allgemeinbildende Privatschule.

Das Grundgesetz Paragraf 7 garantiert „das Recht zur Errichtung
von privaten Schulen“. Die Genehmigung, so heißt es im Absatz 4 des
Gesetzes weiter, ist zu erteilen, wenn „eine Sonderung der Schüler
nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“. Ein
ganz wunderbarer Absatz, den sich auch die staatlichen Schulen auf
die Fahnen schreiben sollten. Jedes Kind sollte, unabhängig davon, ob
es aus einem Anwalts- oder Hartz-IV-Haushalt stammt, die Chance
haben, bestmögliche Bildung zu erwerben. Ein Blick in Berlins
Oberschulen zeigt jedoch, dass auch dort die soziale Herkunft darüber
entscheidet, ob ein Schüler das Abitur erlangt.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will nun die Zuschüsse für
neu gegründete freie Schulen einschränken. Dann aber passiert
lediglich das, was die dem linken SPD-Flügel angehörige Senatorin
unmöglich wollen kann: Neugründungen von Privatschulen wären nur noch
möglich, wenn Eltern den Schulbetrieb jahrelang zu 100 Prozent selbst
finanzieren. Leisten könnten sich dies dann tatsächlich nur noch
Eltern mit einem sehr hohen Einkommen. Das kann keiner wollen.

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