Mal angenommen, ein vernunftbegabter Marsianer
strandet in Deutschland. Was würde er Union und SPD wohl raten?
Vielleicht, dass man nur die besten Köpfe in die Spitzenämter
schicken sollte. Dass man die überfällige Modernisierung der Netze
angehen möge, bei Verkehr, Energie, Kommunikation. Dass staatliche
Aufgaben wie Rente, Gesundheit und Bildung gerade in guten Zeiten
krisenfest gemacht werden müssen. Und dass für jede neue Ausgabe eine
alte gekürzt werden solle.
Leider erfordern Koalitionsverhandlungen weniger Vernunft,
Weitsicht und Verantwortungsgefühl, sondern vor allem ein feines
Gespür für Macht. 14 Minister werden gesucht, ein Kanzleramtschef und
zwei Fraktionsvorsitzende. Qualifikation schadet nicht, ist aber
keine Bedingung, wie man am Innenminister sieht. Entscheidend sind
Quotenmerkmale wie Geschlecht, Landesverband und natürlich Ansprüche.
Mangels Personal ist die Lage bei der SPD recht übersichtlich. Die
Genossen wiederholen den Fehler der FDP nicht, vor allem
Show-Ministerien wie Wirtschaft oder Auswärtiges als fette Beute zu
betrachten, sondern fordern Schlüsselressorts wie Finanzen und
Arbeit. Damit stehen von der Leyen und Schäuble zur Disposition.
Parteichef Gabriel ist als Vizekanzler und Arbeitsminister gebucht.
Übernimmt Altstar Steinmeier die Finanzen, folgt ihm der treue
Oppermann als Fraktionschef. Andrea Nahles und Manuela Schwesig sind
als Ministerinnen gesetzt, wohl eher für Gedöns-Ressorts. Weil der
stärkste Landesverband NRW bedacht werden muss, könnte Garrelt Duyn,
Hannelore Krafts bester Mann, eine Chance als Wirtschaftsminister
erhalten.
Die Kanzlerin hat es da schwerer. Bei drei Ressorts für die starke
CSU bleiben der Kanzlerin nur fünf Posten plus Kanzleramtsminister.
Pofalla will zwar weg, hat sich aber gerade erst eingearbeitet. Der
drohnengeschädigte de Maizière wird sich mit Kollegin von der Leyen
ums Außenamt kabbeln. Oder er desertiert zur Nato. Nur von der Leyen
und Altmaier sind gesetzt, womit die restlichen drei Kandidaten
Frauen-, Ost- und NRW-Quote erfüllen müssen. CDU-Generalsekretär
Gröhe darf hoffen, Bildungsministerin Wanka wegen Doppelquote
ebenfalls.
Es beginnt also die Zeit der wundersamen Karrieren und der
unverständlichen Abschiede. Dem Innenminister Friedrich wird niemand
hinterherweinen, Finanzminister Schäuble einige. Immerhin besteht
Hoffnung, dass Gesundheits-Irrwisch Lauterbach leer ausgeht.
Feststeht schon jetzt: Deutschland wird auch künftig nicht von den
Besten regiert, sondern von einem Kabinett der Arithmetik. Der
Marsianer jedenfalls wird sich bald wieder verabschieden. Denn auch
beim Asylrecht wird sich nicht viel tun.
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