BERLINER MORGENPOST: Wenn Wohltaten zur Gefahr werden Thomas Exnerüber die schockierenden Zahlen zur künftigen Altersarmut

Altersarmut wird in nicht allzu ferner Zukunft
nicht mehr das Problem einer relativ kleinen Gruppe von Rentnern
sein, sondern ein Phänomen, das bis weit in die Mitte der
Gesellschaft hineinzureichen droht. Dieser Weckruf von
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen trifft den Nerv der
Menschen. Denn wohl jeder hofft auf einen sorgenfreien Ruhestand –
eine auskömmliche Rente gilt den Deutschen als Lohn für ihre
Lebensleistung. Und weil dies so ist, ist jede Diskussion über die
Rente immer auch eine Diskussion über Gerechtigkeit. Wenn Menschen,
die heute 2500 Euro brutto im Monat verdienen, nach 35 Beitragsjahren
2030 in Rente gehen und dann nur ein Ruhegehalt in Höhe der
Grundsicherung erhalten sollen, ist dieses Gerechtigkeitsempfinden
verletzt. Jemand, der sein Leben lang gerackert und geschafft hat,
muss im Alter von den Früchten seiner Arbeit auch angemessen leben
können, lautet der verständliche Anspruch der Bundesbürger. Allein,
er ist nach den Gesetzen der Versicherungsmathematik bei akzeptablen
Beitragssätzen und künftig schrumpfender Erwerbstätigenzahl nicht
einzulösen. Doch die Politik ist es offensichtlich leid, sich an
dieser unangenehmen Wahrheit abzuarbeiten und für verstärkte private
Vorsorge zu werben. Sowohl die von Ursula von der Leyen favorisierte
Zuschussrente wie auch die weiter gehenden Rentenpläne der Opposition
vergesellschaften das Problem einfach. Da ein nicht unerheblicher
Teil der Menschen offenbar finanziell nicht in der Lage oder aber
schlicht nicht willens ist, für das Alter selbst konsequent zu
sparen, soll die Allgemeinheit in Form der Beitrags- oder auch der
Steuerzahler für diese Defizite aufkommen. Statt ihre eigentliche
Arbeit zu tun, nämlich Rahmenbedingungen zu schaffen, die auch
Geringverdienern den Spielraum geben, vorzusorgen, belastet die
Politik lieber die Zukunft aller Menschen – auch jener, die heute
noch gar nicht geboren sind. Weniger bequem, aber weit richtiger wäre
es, die heutigen Ansprüche zurückzufahren. Warum gibt es keine
Diskussion darüber, welche Leistungen des Staates verzichtbar wären?
Das wäre zweifellos schmerzhaft. Die dadurch möglichen Steuer- und
Beitragssenkungen könnten aber dann bis zu einer gewissen Grenze
durchaus verpflichtend in den Aufbau einer Zusatzvorsorge fließen.
Dies würde das Problem der Altersarmut nicht nur nachhaltig lösen, es
wäre auch künftigen Generationen gegenüber fairer und würde die
Bürger vor allem davor bewahren, noch stärker in die Abhängigkeit
staatlicher Verteilungsallmacht zu geraten. Denn wer es wirklich gut
meint mit den Menschen, verteilt keine auf Dauer unfinanzierbaren
Wohltaten. Er verschafft ihnen stattdessen die Möglichkeit, ihr Leben
selbst zu gestalten.

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