Bundesgerichtshof stärkt Selbstbestimmungsrecht bei Patientenverfügung

Gegenstand des aktuellen Beschlusses ist der Fall einer 78-jährigen Frau, die nach einem Schlaganfall über zehn Jahre im Wachkoma lag und währenddessen lebensverlängernde Maßnahmen in Form von Flüssigkeitszufuhr sowie künstlicher Ernährung erhielt. Lange Zeit vor Ihrer Krankheit hatte sie schriftlich in einer Patientenverfügung sowie mündlich gegenüber Bekannten geäußert, dass sie im Fall einer irreversiblen Hirnschädigung lieber sterben wollen würde. Zwischen ihren Betreuern herrschte Uneinigkeit darüber, ob die lebensverlängernden Maßnahmen aufrechterhalten oder unterlassen werden sollten. Zur Entscheidung hierüber wurde das Betreuungsgericht hinzugezogen.

Der BGH urteilte nun, dass eine wirksame Patientenverfügung gemäß § 1901a Abs. 1 BGB der betroffenen Frau zur Umsetzung ihres darin geäußerten Wunsches nach Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen allein ausreicht und von Ärzten und Angehörigen gleichermaßen zu akzeptieren und umzusetzen ist. Eine zusätzliche Überprüfung oder Genehmigung des Patientenwunsches durch ein Betreuungsgericht – auch zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen – ist nicht erforderlich.

„Damit unterstreicht der BGH die große Bedeutung des persönlichen Selbstbestimmungsrechts. Denn mit einer Patientenverfügung darf jeder sein Leben rechtsverbindlich und ohne weitere Genehmigung individuell gestalten“, sagt Dr. Christian Probst, Rechtsanwalt und Gründer des Vorsorgeportals PatientenverfügungPlus.

Die vorliegende Entscheidung hängt von der wirksamen inhaltlichen Formulierung einer Patientenverfügung ab und baut somit auf der bisherigen Rechtsprechung auf. Das Gericht hatte zuletzt 2017 geurteilt, dass in der Verfügung klar geregelt sein muss, in welcher Behandlungssituation bestimmte ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen. Maßgabe hierfür ist, dass Wünsche für bestimmte Lebenssituationen ausdrücklich formuliert werden. Unbestimmte Formulierungen wie ein bloßer Verweis, dass keine lebenserhaltenden Maßnahmen gewünscht sind, reichen für eine rechtlich wirksame Patientenverfügung nicht aus.

„Der BGH erklärt den Bürgern damit sehr deutlich, wie eine rechtssichere Patientenverfügung auszusehen hat. Je konkreter sie die eigenen Behandlungswünsche bei Krankheiten regelt, desto höher ist ihre Rechtssicherheit“, erklärt Dr. Probst. „Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass insbesondere die juristischen Formulierungen einwandfrei sein müssen, um im Ernstfall umfassend geschützt zu sein. Bei einem derart wichtigen Thema des eigenen Lebens ist es ratsam, sich auf Expertenwissen zu verlassen.“