In der Liste der für die neuen Verwaltungsgerichte
nominierten Richter finden sich dutzendweise Kandidaten, die aus dem
Umfeld der Großparteien kommen. Oder gleich aus den engsten
Mitarbeiterstäben von hohen Politikern. Das sagt nichts über die
Qualifikation der künftigen Richter: Immerhin wurde jede Bewerbung
objektiv geprüft. Und die Kenntnis dessen, wie es in der
österreichischen Verwaltung – und den Kabinetten, die die politische
Verantwortung für die Verwaltung koordinieren – zugeht, dürfte mit
einigem Recht als Zusatzqualifikation gelten: Ein Verwaltungsrichter
muss verstehen, wo welche Ermessensspielräume liegen und wie diese
Ermessensspielräume genutzt werden, um das umzusetzen, was im Sinne
der politisch Verantwortlichen liegt. Das ist immer dann der Fall,
wenn ein Politiker verspricht, dass eine Sache „möglichst
unbürokratisch gelöst wird“- das heißt: unter unkonventioneller
Ausnutzung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Wenn daher Kandidaten
mit entsprechender Erfahrung zu unabhängigen Richtern werden, dann
können Sie aus eigener Erfahrung abschätzen, dass ein
Verwaltungsverfahren vielleicht einen ganz anderen Verlauf hätte
nehmen können. Man kann auch gut verstehen, warum Politiker getreue
Gefolgsleute in den von ihnen zu besetzenden Gremien sehen wollen –
und man greift zu kurz, wenn man hier nur davon ausgeht, dass dabei
ein Günstling belohnt werden sollte. Der oder die Betreffende soll an
dem neu besetzten Posten ja eine Arbeitsleistung erbringen – und zwar
eine, für die sich der entsendende Politiker nicht genieren muss; er
will sich auf „seine Leute“verlassen können. Das hat es zu allen
Zeiten gegeben, natürlich nicht nur in der Politik, sondern auch in
der Unternehmensführung. Die Politik hat sich von der
Unternehmensführung auch ein paar Dinge abgeschaut: etwa wie man bei
Fusionen Abteilungen so zusammenlegt und Führungsfunktionen so
besetzt, dass bei allen Betroffenen der Eindruck überwiegt, dass alle
gerecht behandelt wurden, auch wenn die Entscheidungen Einzelne
schmerzt. Solche paritätischen Besetzungen sind in Österreich nach
1945 zur Grundlage der Staatskunst geworden: Der vielgeschmähte
Proporz war die Antithese zur Einparteienherrschaft, die Nazis (und
vorher der Ständestaat) in der Verwaltung etabliert hatten. Das lief
am Anfang sehr gut. Ein Roter passte auf einen Schwarzen auf und
umgekehrt (und beide auf die Kommunisten, die damals auch zum Zuge
kamen). Das war mühsam, aber es war auch wirksam gegen
Behördenwillkür und die Herausbildung von Subkulturen in den Ämtern.
Das wirkte bis weit in die Kreisky-Zeit. In den vergangenen zwei,
drei Jahrzehnten hat man sich des Proporzes aber geschämt, hat mehr
oder (eher) weniger transparente Besetzungsverfahren eingeführt. Bei
denen dann doch oft die gewünschten Kandidaten bestellt worden sind.
Die Öffentlichkeit fühlt sich gepflanzt. Politiker haben die Aufgabe,
Vertrauensstellen zu besetzen und Spitzenjobs zu vergeben. Dann
sollen sie aber dazu stehen. Dann sollen sie den Proporz kenntlich
machen und „Tickets“vergeben – und zwar nicht nur rote und schwarze.
Auch, je nach Wahlergebnis, blaue, grüne, gelbe. Dann könnten die
Parteien bei Wahlen auch für „ihre“ Leute verantwortlich gemacht
werden.
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