DER STANDARD-Kommentar: „Zeit für ein neues Wahlrecht“ von Conrad Seidl

Jeden Tag ein neuer Skandal: Jetzt wird also gegen
Landesrat Harald Dobernig von der FPK ermittelt, der sich für genauso
unschuldig hält, wie das auch sein schwarzer Amtskollege Josef
Martinz in derselben Causa getan hat. Für beide gilt die
Unschuldsvermutung, aber die Wahlberechtigten wollen dieser Vermutung
nicht folgen, wie die aktuelle Standard-Umfrage zeigt. Sie fragen
wohl zu Recht: Haben wir solche Politiker verdient?
Die zynische Antwort lautet: Ja freilich, ihr habt sie ja gewählt –
zumindest hat das ein ausreichend großer Teil der Wählerschaft getan.

Aber das greift zu kurz. Das österreichische Wahlrecht bietet den
Wählern nämlich viel zu wenige Möglichkeiten, eine echte Auswahl zu
treffen. Wahlsysteme können ja zwei Gedanken folgen: Das eine Modell
wäre ein Listenwahlrecht, das es ermöglicht, nach seiner Gesinnung
jene Partei zu wählen, deren Ideologie einem am besten gefällt. Das
andere Modell ergibt ein Persönlichkeitswahlrecht, bei dem Menschen
aufgrund ihres Auftretens, ihres Aussehens, allenfalls auch ihrer
Kompetenz gewählt werden.
In Österreich hat man ein Mischsystem: Parteien mit schwammigem
Programm stellen Kandidaten mit schwammiger Persönlichkeit auf. Dazu
kommt eine systembedingte Trägheit: Das Verhältniswahlrecht macht es
schwer, Parteien oder ihre Vertreter abzuwählen. Vielleicht wäre eine
echte Wahlrechtsreform die beste Lehre aus Kärnten.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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