Die Sozialdemokraten wollen reformwilligen
EU-Ländern mehr Spielraum für Investitionen einräumen. SPD-Chef
Sigmar Gabriel verteidigte seine Forderung gegen Kritik aus der
Union, er wolle den Stabilitätspakt aufweichen: „Offenbar entgeht
manchen, dass man den Stabipakt für die Umsetzung meiner Position
nicht aufweichen muss“, sagte Gabriel dem „Tagesspiegel“
(Donnerstagsausgabe). „Der Tausch: ,gegen verbindliche Reformen
gewähren wir mehr Zeit für den Abbau der Defizite–, ist innerhalb des
Stabipaktes nicht nur möglich, sondern bereits Praxis.“ Deshalb gebe
es innerhalb der Bundesregierung über das Prinzip „Zeit gegen
Reformen“ auch keine Differenzen.
Das Problem sei eher, dass bislang Reformen meist nur angekündigt
wurden, sagte der SPD-Chef weiter. „Ich bin dafür, ihre Umsetzung
verbindlich und überprüfbar zu machen. Das ist etwas anderes als
manche Forderungen aus einzelnen EU-Staaten, die andere Definitionen
von Stabilität und Defiziten vornehmen wollen.“ Denn dafür müsse man
den Stabipakt ändern. „Genau das aber will weder ich noch sonst
jemand in der Bundesregierung. Um es klar zu sagen: Ich trete für
eine vermittelnde Position ein und will Italienern und Franzosen eine
Brücke bauen, wie sie parallel zu den notwendigen Reformen auch
Investitionen in Wachstum und Arbeitsplätze finanzieren können. Denn
das müssen sie tun, sonst wächst nicht nur die Arbeitslosigkeit immer
weiter, sondern auch der antieuropäische Nationalismus.“ Sturheit
helfe nur Marine Le Pen und ihrer rechtsradikalen Partei. „Wenn sie
in der Folge weiter wachsender Arbeits- und Hoffnungslosigkeit in
Frankreich eine ernsthafte Chance bekommt, die nächste französische
Präsidentin zu werden, ist das eine viel größere Gefahr für ganz
Europa als die flexible Anwendung des Stabilitätspaktes“, sagte
Gabriel. Deutschland habe 2003 exakt das gleiche getan – „Agenda 2010
plus mehr Zeit zum Defizitabbau“. Das sollten die Deutschen ehrlich
zugeben und diese Formel offensiv als deutsches Modell anbieten.
„Denn wir sind damit besser als alle anderen aus der Krise heraus
gekommen und halten die Schuldengrenzen sogar früher als geplant
ein.“
Der neue Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europäischen
Parlament, Martin Schulz (SPD), bekräftigte Gabriels Forderung. „Wenn
einige EU-Länder jetzt mutige Reformen voranbringen, muss man ihnen
gleichzeitig die Chance geben, ihr Wachstum zu stimulieren“, sagte
Schulz dem „Tagesspiegel“. „Denn mehr Wachstum hilft bei der
Haushaltskonsolidierung.“ Deutschland habe gute Erfahrungen damit
gemacht, mit Investitionen gegen die Krisenfolgen zu kämpfen,
erklärte Schulz.
Zu den Chancen einer Einigung im Streit um den
Kommissionspräsidenten und die inhaltliche Ausrichtung der
europäischen Politik sagte Schulz: „Wir werden in der kommenden Woche
eine Einigung hinbekommen. Da bin ich sehr zuversichtlich.“
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