Pressemitteilung
Umweltorganisation reicht Klage gegen immissionsschutzrechtliche
Teilgenehmigung für neuen Block 6 im hessischen Großkrotzenburg ein –
Genehmigung verstößt gegen europäische und nationale Umwelt- und
Gesundheitsschutzvorgaben – DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake:
Nicht mehr zeitgemäßes Projekt stoppen, „bevor es richtig teuer wird“
Wegen zahlreicher Fehler und Mängel im Genehmigungsbescheid des
Regierungspräsidiums Darmstadt klagt die Deutsche Umwelthilfe e.V.
(DUH) beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel gegen die Ende
Dezember erlassene immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigung für den
Bau des Steinkohle-Blocks 6 im Kraftwerk Staudinger
(Großkrotzenburg). Mit der Klage greift die Umweltorganisation die
immissionsschutzrechtliche Grundlage für Europas größten
Steinkohle-Monoblock (1.055 MW) der E.on Kraftwerke GmbH an.
DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake nannte die Teilgenehmigung
„in mehreren Punkten rechtsfehlerhaft“, weshalb die Klage gute
Erfolgsaussichten habe. Der DUH-Geschäftsführer forderte den
E.on-Konzern auf, die Pläne für den neuen Kohleblock aufzugeben,
„bevor sie für das Unternehmen richtig teuer werden“. Baake: „Neue
Kohlekraftwerke belasten nicht nur das Klima, sie können in
Deutschland angesichts des rasanten Ausbaus der Erneuerbaren Energien
und der steigenden CO2-Kosten auch nicht mehr wirtschaftlich
betrieben werden“. Selbst wenn sich E.on wider erwarten vor Gericht
durchsetzen sollte, drohe in Großkrotzenburg erneut eine
Investitionsruine wie derzeit beim gerichtlich gestoppten
Kraftwerksneubau im westfälischen Datteln.
Die DUH-Klage stützt sich insbesondere auf die in der Genehmigung
nicht ausreichend berücksichtigte Vorbelastung der Region. So würden
die mit der Inbetriebnahme des neuen Kohleblocks verbundenen
zusätzlichen Emissionen von Quecksilber in die Atmosphäre und in den
Main nach Überzeugung der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation
gegen europäisches Recht verstoßen. Die EU-Richtlinie 2008/105/EG zum
Schutz von Fischen, Muscheln und anderen Tieren gibt strenge
Quecksilber-Grenzwerte vor, die im Main schon heute um ein Vielfaches
überschritten werden. Die DUH hatte bereits im Juni 2010 in einem
umfangreichen Rechtsgutachten nachgewiesen, dass die Grenzwerte
einzuhalten seien und kein zusätzliches Quecksilber in den Main
eingetragen werden dürfe. Der Kraftwerksbetrieb würde außerdem zu
Belastungen mit weiteren giftigen Schwermetallen wie Arsen, Cadmium
und Blei, sowie zur Überschreitung von Lärmgrenzwerten führen und die
Gesundheit von Anwohnern beeinträchtigen.
Darüber hinaus würden die mit dem Kraftwerksbetrieb unvermeidlich
erhöhten Stickstoffbelastungen in benachbarten FFH-Gebieten nach
Überzeugung der DUH empfindliche Pflanzengesellschaften, die unter
dem Schutz des EU-Naturschutzrechts stehen, zerstören. Auch seltene
Zugvögel und Fledermäuse würden durch den Bau des Kraftwerks massiv
beeinträchtigt. Die vielfältigen Beeinträchtigungen von Flora und
Fauna machten den Kraftwerksbau von vornherein rechtlich unzulässig,
erklärt die DUH.
Das von der Genehmigungsbehörde vorgebrachte Argument, im Gegenzug
würden die alten Kraftwerksblöcke 1 bis 3 stillgelegt und damit
insgesamt weniger Schadstoffe entstehen, sei ein politisches und
rechtliches Täuschungsmanöver. Denn bis Ende 2012 müsse der
Kraftwerksbetreiber E.on die Altanlagen ganz unabhängig von dem neuen
Kohleblock 6 stilllegen, weil die alten Blöcke nicht mehr den
geltenden Bestimmungen entsprechen und E.on bewusst auf eine
Nachrüstung verzichtet habe. Man könne deshalb nicht, wie das
Regierungspräsidium es versuche, die alten Blöcke gegen die Neuanlage
aufrechnen.
Darüber hinaus machen schwere Verfahrensfehler die Genehmigung
nach Ansicht der DUH rechtlich unzulässig. So hat das
Regierungspräsidium die europarechtlich geforderte
Koordinierungspflicht von immissionsschutz- und wasserrechtlichem
Verfahren missachtet, indem die Teilgenehmigung erlassen wurde,
obwohl das wasserrechtliche Verfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht
einmal begonnen hatte. Eine für die Genehmigung zwingend
erforderliche positive Prognose des Gesamtvorhabens war mangels
hinreichend aussagefähiger Beurteilung der Gewässersituation nicht
möglich. Schließlich wurden in der Umweltverträglichkeitsprüfung
nicht sämtliche Umweltauswirkungen herausgearbeitet, so dass auch
hier wasserrechtliche Fragestellungen nicht beurteilt werden konnten.
In dem Klageverfahren wird die DUH von dem Berliner Fachanwalt
Peter Kremer vertreten, der bereits geplante Kohlekraftwerke in
Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) und Brunsbüttel (Schleswig-Holstein)
zu Fall gebracht hat. Neben der DUH klagen auch der BUND
Landesverband Hessen, der Bund Naturschutz in Bayern, die Stadt
Hanau, die Gemeinde Hainburg sowie die Stadt Alzenau gegen das
Milliardenprojekt des Energiekonzerns in Großkrotzenburg. Mit einer
Entscheidung des Gerichts wird frühestens in einem Jahr gerechnet.
Pressekontakt:
Rainer Baake Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin Mobil: 0151 55016943, Tel.: 030
2400867-0, E-Mail: baake@duh.de
Peter Kremer, Rechtsanwalt, Heinrich-Roller-Straße 19, 10405 Berlin
Tel.: 030 28876783, E-Mail: rechtsanwalt@peter-kremer.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V.Hackescher Markt 4, 10178 Berlin Mobil: 0171 5660577, Tel.: 030
2400867-21, E-Mail: rosenkranz@duh.de