Die deutsche Umverteilungspolitik im Zeitverlauf: Studie 2011.

Langzeitstudie seit 1970

Die Schlagworte der vorliegende Studie sind: Umverteilung, Einkommensverteilung, soziale
Gerechtigkeit und Steuergerechtigkeit. Datenbasis bilden die Hochrechnungen der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung durch das Statistische Bundesamt.

Grafik1: Einkommensverteilung, Arbeitnehmerentgelte vs. Unternehmens- und
Vermögenseinkommen

Nebenstehend finden Sie die Grafik zur Illustration der Umverteilungspolitik. (Eine größere
Darstellung der Grafik finden Sie unter www.lunatics.de)

Umverteilungspolitik

Die obenstehende Grafik zeigt, dass im Jahr 2010 erstmals wieder seit dem Jahr 2007 die
Arbeitnehmerentgelte an Gewicht am Gesamteinkommen verloren haben. Der Anteil ist
von 68,41% (2009) auf 66,26 (2010) gesunken. Dementsprechend stieg der Anteil der
Unternehmens- und Vermögenseinkommen von 31,59% in 2009 auf 33,74% in 2010.
Diese Verschiebung der Einkommensverteilung ist aber weniger einer sich ändernden
Steuerpolitik / Verteilungspolitik der in 2009 neu an die Regierung gekommenen Koalition
aus CDU/CSU und FDP, sondern vielmehr einer guten Konjunktur-Entwicklung sowie sehr
gut gelaufenen Kapitalmärkten.

Außerdem muss man die Entwicklung 2010 im Lichte der Ergebnisse des Jahres 2009,
dem weltweiten Krisenjahr, betrachten. Im Jahr 2009 haben sowohl die Unternehmen wie
auch die Vermögen und die Arbeitnehmer Einkommensverluste zu verzeichnen gehabt.
Allerdings sanken die Arbeitnehmer-Entgelte real nur um rund 0,16%, während die
Unternehmens- und Vermögenseinkommen um knapp 13% sanken. Bereits im Jahr 2008
gingen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen real um 3,7% zurück, während die
Entgelte der Arbeitnehmer im gleichen Zeitraum real noch um 1,16% stiegen.

Im Jahr 2010 schließlich stiegen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen real um
11,93% gegenüber dem Niveau des Krisenjahres 2009 – die Arbeitnehmerentgelte legten
real um 1,48% zu. Wer nun hieraus eine Verschiebung zugunsten der Unternehmen und
Vermögen ableitet, irrt. Das Einkommen der Unternehmen liegt real noch immer 6,17%
unter dem Wert von 2007 (vor Beginn der Krise), während das Einkommen der
Arbeitnehmer im gleichen Zeitraum – trotz Krisenjahre – real um 2,48% gestiegen ist.

Fakt ist also, dass seit 2008 die Arbeitnehmerentgelte, real betrachtet, stärker stiegen als
die Unternehmens- und Vermögens einkommen. Also genau anders herum als vielerorts
behauptet. Berücksichtigen muss man an dieser Stelle auch, dass die o.g. Zahlen auf die
gesamte Volkswirtschaft abstellen. Das heißt, dass die Einkommensverteilung und –
umverteilung in einzelnen Sektoren oder Unternehmen natürlich auch umgekehrt sein
kann, wie es gern in der Presse kolportiert wird. Richtig jedoch ist die Betrachtung der
gesamten Volkswirtschaft. Hier ist die dargestellte Verschiebung der Einkommensverteilung
zugunsten der Arbeitnehmerentgelte zu beobachten.

Interessant ist die Beobachtung vor dem Hintergrund der jeweiligen politischen
Verhältnisse.

1970 bis 1982: In der sozial-liberalen Ära erfolgte eine Verschiebung der
Einkommensverteilung zugunsten der Arbeitnehmereinkommen. Ausgehend von einem
Verhältnis von 67,31% zu 32,69% endete die Ära mit einem Verhältnis von rund 76% zu
24%.

1982 bis 1998: Mit dem Politikwechsel hin zur christlich-liberalen Ära erfolgte zunächst
eine Verschiebung der Verteilung zurück in Richtung der Unternehmens- und Vermögens
einkommen. Sie fand ihren Höhepunkt im Jahr 1990 mit einem Verhältnis von 69,80% zu
30,20%. Diese Politik wurde korrigiert und erreichte 1993 mit einem Verhältnis der
Einkommen von 72,91% zu 27,09% einen weiteren Wendepunkt. Die Ära endete mit
einem Verhältnis von 70,41% zu 29,59%.
1998 bis 2005: Der Politikwechsel zu rot-grün brachte zunächst erneut einen Wechsel
in der Umverteilung der Einkommen zugunsten der Arbeitnehmerentgelte. Tatsächlich aber
endete die rot-grüne Phase mit einem Verteilungsverhältnis von 67,04% zu 32,96%. Das
bedeutet: Unter rot-grün haben die Unternehmens- und Vermögenseinkommen ihren bis
dato höchsten Anteil am Gesamteinkommen erreicht! Analog sank der Anteil der
Arbeitnehmerentgelte auf das bisherige Minimum. In der Umverteilungs politik wurde das
Rad der Geschichte ziemlich genau auf das Jahr 1970 zurück gedreht.

2005 bis 2009: Der nächste Politikwechsel hin zu schwarz-rot hat zunächst den um
das Jahr 2000 begonnenen Prozess der stärkeren Gewichtung der Unternehmens- und
Vermögens­einkommen fortgesetzt. Der Wendepunkt erfolgte im Jahr 2007 mit einem
Verhältnis von 64,78% zu 35,22%. Mit dem Jahr 2008 „dreht“ sich der Trend aus dem Jahr
2000. Das Verhältnis verschiebt sich zugunsten der Arbeitnehmerentgelte auf 68,41% zu
31,59% in 2009 (inkl. Sondereffekten aus der Konjunkturkrise).

2009 bis heute: Unbestritten gibt es Aufholeffekte bei den Unternehmens- und
Vermögens­einkommen. Diese sind aber nicht politischen Entscheidungen geschuldet,
sondern vielmehr der anspringenden Konjunktur in 2010 sowie deutlich erholenden
Kapitalmärkten. Zum Ende des Jahres 2010 beträgt der Anteil der
Arbeitnehmereinkommen rund 66,26% am Volkseinkommen; der Anteil der Unternehmens-
und Vermögenseinkommen liegt bei 33,74%. Dies entspricht ungefähr dem Niveau von
2006.

Fazit

Gegenüber 2007, dem letzten Jahr vor der Finanz- und Konjunkturkrise, sind die
Arbeitnehmerentgelte real um 2,48% gewachsen, während die Unternehmens- und
Vermögenseinkommen um 6,17% real gesunken sind. Dies ist im Wesentlichen dem
Umstand geschuldet, dass die Entgelte der Arbeitnehmer in den Krisenjahren mehr oder
weniger stabil waren.

Es ist aber auch richtig, dass der Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen im
Jahr 2007 mit gut 35% am Volkseinkommen den höchsten Stand seit 1970 erreicht hatte.
Der aktuelle Anteil von 33,74% liegt deutlich über dem Mittelwert der letzten zehn Jahre
(31,92%) bzw. über dem der letzten 20 Jahre (30,24).

Stuttgart, den 1. Februar 2011.

ideen-park GmbH

Prof. Dr. Robert Göötz

Sämtliche Rechte an dieser Studie liegen bei der ideen-park GmbH, Stuttgart.
Verwendung und Nachdruck – auch in Teilen – nur mit ausdrücklicher Genehmigung der
ideen-park. Einen Download der Studie als PDF-Datei finden Sie auf der Homepage der
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