Erklärung des Vorsitzenden des Rates der EKD, Präses Nikolaus Schneider,/ zum Rücktritt des Bundespräsidenten

Der Antrag auf Aufhebung der Immunität schränkt
die freie, unbelastete Amtsführung des Bundespräsidenten so weit ein,
dass der Rücktritt von Herrn Wulff von diesem Amt folgerichtig und
auch befreiend ist: Dieser für ihn sicher schmerzliche Schritt
verschafft ihm die notwendige Freiheit, mit den Vorwürfen und deren
Überprüfung angemessen umzugehen. Auch das Amt an der Spitze unseres
Staates, in dem sich die Bürgerinnen und Bürger wiederfinden wollen,
gewinnt so seine Gestaltungsmöglichkeiten zurück. Die Frage nach
Schuld oder Unschuld ist mit dem Rücktritt nicht beantwortet. Dies
ist die Aufgabe, die der Justiz zukommt.

Bundespräsident Christian Wulff hat sich dem wesentlichen Thema
des Zusammenhalts unserer Gesellschaft mit Engagement gewidmet.
Kritische Diskussionen hat er dafür in Kauf genommen. Ich danke
Bundespräsident Christian Wulff für wichtige Anstöße, die er in
seiner Amtszeit dazu gegeben hat: Dazu zähle ich insbesondere seine
Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2010 in Bremen, bei der er
deutlich gemacht hat, dass der Islam durch die vielen Menschen
muslimischen Glaubens, die heute in Deutschland leben,
selbstverständlich zu unserem Land und unserer Lebenswirklichkeit
gehört. Dass er gleichermaßen bei einem Staatsbesuch in der Türkei
die Zugehörigkeit des Christentums zu diesem Land betont hat, war ein
wichtiges Zeichen für die Christinnen und Christen in der Türkei,
denen Rechte der Glaubensfreiheit nach wie vor verwehrt sind.

Ich bin dem Bundespräsidenten zudem dankbar dafür, wie er den
Angehörigen der Opfer der Loveparade-Katastrophe und den damals
eingesetzten Rettungskräften bei mehreren Gelegenheiten menschlich
einfühlend und tröstend sehr nahe gekommen ist. Ausdruck dieser
Hinwendung zu den Menschen ist auch sein Einsatz für die Angehörigen
der Opfer des Rechtsterrorismus.

Das Losungswort für diesen Tag „Wohl dem, der seine Hoffnung setzt
auf den Herrn“ (Psalm 40,5) gilt auch für den zurückgetretenen
Bundespräsidenten Christian Wulff, seine Frau Bettina und deren
Familie. Und es gilt auch für unser Land. Es macht nämlich deutlich,
dass es in allen politischen Erwägungen und notwendigen
Auseinandersetzungen eine Orientierung an Gottes Wort, an seinem
Recht und seiner Gerechtigkeit gibt, die eine Wohltat für die
verantwortlichen Politikerinnen und Politiker und für unser Land
sind.

Hannover, 17. Februar 2012

Pressestelle der EKD

Silke Römhild

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