Schon wieder ist ein Hoffnungsträger der CDU
gescheitert. Einer aus dem Merkel-Team. Ein junger, smarter,
intellektueller Typ, dem das Volk offenbar zu kompliziert war.
Norbert Röttgen hat die Wahl in Nordrhein-Westfalen grandios
vergeigt, weil er mit dem Kopf in Berlin und bei sich war. Größe hat
er mit seinem schnellen Rücktritt erst gestern in der Niederlage
gezeigt. Das Ergebnis wird seiner Karriere nicht gut tun, bereitet
Angela Merkel neue Probleme mit dem traditionellen Parteiflügel und
beschert dem hochverschuldeten Nordrhein-Westfalen mit seinen noch
klammeren Kommunen eine neue rot-grüne Regierungszeit. Sie wird dem
Land nur dann gut tun, wenn Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die
Welt mit einem Kurswechsel ebenso zu überraschen vermag wie einst
Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010. Die eigene
Mehrheit ohne Linke sollte es zumindest leichter machen.
Nordrhein-Westfalen ist im Westen am stärksten vom Strukturwandel
gezeichnet. Es ist das größte Bundesland. Es hat einen großen
Reformbedarf. Und es hat einen noch größeren Willen, das zu
ignorieren. Die Politik wirkt wie eingeweckt. Eine Konserve aus den
80ern, die auf dem Etikett immer noch Süße verspricht, aber längst
verdorben ist. Die Einsicht, dass man in Zukunft wird mit weniger
Geld auskommen müssen – damit tut man sich schwer. Hannelore Kraft
und einige andere aus der SPD haben wiederholt die Ostförderung für
die Haushaltsmisere verantwortlich gemacht. Eine Meinung, die
verbreitet ist zwischen Rhein und Ruhr, mit der man punkten konnte,
auch wenn man es besser wusste. Natürlich verstärkt alles Geld, das
man zusätzlich zahlen muss, die Haushaltssorgen. Aber die Ursachen
für die leeren Kassen sind hausgemacht. Und der Aufbau Ost war über
viele Jahre ein großes Konjunkturprogramm für den Westen, hat den
dort spätestens seit den 80er Jahren vorhandenen Reformbedarf
kaschiert. Vielleicht sollte man ihm das vorwerfen: Er hat damit die
Erwartung erhärtet, dass Veränderung nur den neuen Ländern
bevorsteht. Wahlkämpfe sind nicht die Zeit für große Reformgedanken.
Deshalb wäre es verfrüht, Kraft den Mut abzusprechen, das Land vom
Schuldenmachen zu kurieren. Nur eines ist klar: Tut sie es nicht,
wird ein Umsteuern mit jedem Jahr schmerzhafter.
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