FT: Kommentar von Anette Asmussen: Neue Politiker braucht das Land

Neue Politiker braucht das Land – Die
durchsichtige schwarz-gelbe Wahlkampfstrategie „Steuersenkung“ ist
eine Beleidigung für alle Wähler

von Anette Asmussen

Wie entlarvend ist dieser Streit: Da geben sich Politiker – allen
voran Bundeskanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Philipp Rösler –
volksnah. Die Bürger sollen am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben,
sagen sie. Dabei ist für jedermann längst sichtbar, dass es der
Regierungskoalition einzig um die eigene Teilhabe geht, um ihre
Teilhabe an Wählerstimmen nämlich.

Die brechen inzwischen so dramatisch weg, dass Regierungschefin
Merkel mit schwungvollen Kehrtwenden zur Hauptdarstellerin in einem
politischen Paniktheater wird: Sichert der schwarz-gelbe
Koalitionsvertrag Ende 2009 noch „steuerliche Entlastung insbesondere
für die unteren und mittleren Einkommensbereiche“ in Höhe von 24
Milliarden Euro jährlich zu, schließt Merkel im Wonnemonat Mai 2010
Steuererleichterungen „für die Haushalte 2011 und 2012“ aus, nachdem
sie noch im Januar bekräftigte, Steuerstrukturreformen „möglichst bis
2011″ durchzusetzen.

Nun geht es also wieder mit Volldampf zurück:
Steuererleichterungen sind gut, weil sie im Wahljahr 2013 dem kleinen
und immer kleiner werdenden Koalitionspartner FDP das Überleben und
somit den eigenen Regierungsfortbestand sichern könnten. Dabei hätten
die christlichen Schwesterparteien CDU und CSU den heutigen FDP-Chef
Rösler noch vor nicht allzu langer Zeit am liebsten vom Hof gejagt.
Damals, als junger Gesundheitsminister, hatte der nämlich das angehen
wollen, was längst überfällig ist: eine Sozialstruktur-Reform mit
einkommensunabhängig einheitlichen Kassenbeiträgen bei steuerlichem
Ausgleich und einem vereinfachten Steuersystem.

Es ist zu hoffen, dass Rösler seine Vision nicht aufgegeben hat.
Denn: Wir brauchen keine Steuererleichterungen, keine Länder, die
endgültig unter ihrer Schuldenlast zusammenbrechen, nur damit ein
kleiner Teil der Bevölkerung kaum spürbare finanzielle Vorteile hat.
Wir brauchen auch keine neuen durchsichtig-hilflos-kurzfristigen
Steuersenkungsversprechen, die jeden demokratisch gebildeten Wähler
nur beleidigen. Was wir brauchen, sind Politiker mit Mut und
Sachverstand, Politiker, die längst überfällige strukturelle Probleme
der Steuer- und der sozialen Gesetzgebung angehen, die sich gegen
Lobbyismus und Eitelkeiten durchsetzen. Ihnen wären Wählerstimmen
sicher – egal ob sie einer roten, grünen, gelben oder schwarzen
Partei angehörten.

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