Als Tiger gestartet – als Bettvorleger gelandet: Um
35 Milliarden Euro wollte die FDP die Steuerzahler im Falle einer
Regierungsübernahme entlasten, im Koalitionsvertrag mit CDU und CSU
wurden immerhin noch Steuersenkungen im Volumen von 24 Milliarden
Euro vereinbart. Doch bis jetzt sind all die Programme und Verträge
das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden. Krise hin, Krise
her: Wenn der Bundeswirtschaftsminister nun ernsthaft von einer
„guten vorweihnachtlichen Botschaft“ für die Bürger und von
„Rückenwind für unsere gut laufende wirtschaftliche Entwicklung“
spricht, die Kanzlerin ein Paket ankündigt, das „bei denen ankommt,
die Steuern bezahlen“, dann hätte man als Wähler gerne die Adresse
der Wolke, auf der die Mitglieder der Bundesregierung leben. Nein,
die Erhöhung der Werbungskostenpauschale von 920 auf 1000 Euro
jährlich und die damit verbundene Entlastung eines Teils der
Steuerzahler um zwei bis drei Euro im Monat (bei gleichzeitiger
spürbarer Erhöhung der Krankenkassenbeiträge) zeugt einmal mehr von
der Mutlosigkeit der Koalition und der voranschreitenden Entfernung
der Regierenden vom Wähler. Glauben Brüderle und Merkel wirklich das,
was sie sagen? Oder ist es nur der verzweifelte Versuch, am Ende
eines annus horribilis noch einmal positive Schlagzeilen zu
produzieren? Fest steht: Die Luft für Merkel und Westerwelle ist dünn
geworden, an der Basis rumort es seit Monaten gewaltig. Das
Krisenmanagement versagt – auch innerparteilich. Jüngstes Beispiel:
Westerwelles Umgang mit den Wikileaks-Dokumenten. Zunächst bestritt
er heftig, dass es bei der FDP einen „Maulwurf“ gegeben habe, dann
wurde nach fieberhafter Suche ausgerechnet sein Büroleiter Metzner
als Informant der US-Botschaft enttarnt. Dennoch hielt ihm
Westerwelle die Stange, bevor der Druck aus der Partei zu stark und
der Bürochef entlassen wurde. Was soll man davon halten? Sollten die
Landtagswahlen im nächsten Jahr für CDU und FDP im Desaster enden,
wird eine neue, schärfere Debatte über das Führungspersonal
losbrechen. Der alte Adenauer lässt schön grüßen, der sich sicher
war, die Steigerung von Feind laute: Feind, Todfeind, Parteifreund.
Natürlich weiß jeder Wähler, wie eng die Handlungsspielräume
inzwischen sind, dass großartige Steuersenkungen nicht finanziert
werden können und eine weitere Schuldenaufnahme unverantwortlich
wäre. Doch es gibt durchaus kluge Reformideen à la Kirchhof, die
kostenneutral wären. Die Beschlüsse der Regierung zur
Steuervereinfachung sind da nicht mehr als der sprichwörtliche
Tropfen auf den heißen Stein. So fühlt sich auch die Wirtschaft von
der Regierung im Stich gelassen und weist darauf hin, dass ein Teil
der angekündigten Erleichterungen nur die Umsetzung von EU-Recht
sind. Eine Steuerreform, die diesen Namen verdient, wurde wieder
einmal vertagt. Vielleicht wartet die Koalition mit der Ankündigung
bis zum Wahlkampf 2013, um dann dem Wähler den Fortbestand von
Schwarz-Gelb schmackhaft zu machen. Doch ob Merkel und Westerwelle
dann noch das Heft des Handelns in der Hand halten, steht in den
Sternen.
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