Ein Kommentar von Karsten Kammholz
Es mutet kokett an: Je stärker die Grünen werden, desto vehementer
wehren sie sich dagegen, eine Volkspartei zu sein. Aber hinter der
Weigerung steckt mehr. Bei nüchterner Betrachtung ihrer selbst müssen
die Grünen feststellen, dass die Wähler derzeit vor allem eines
bewegt: die Atomkraft. Es ist das Ur-Thema der Partei, mit dem sie in
ihrem 32. Lebensjahr auch konservative Wählerschichten von sich
überzeugen kann. Genau darin versteckt sich das Dilemma des
historischen Umfragehochs. Die Situation der Grünen erinnert
unweigerlich an das Hoch der FDP bei der Bundestagswahl 2009. Mit
ihrer Steuersenkungs-Agenda stiegen die Liberalen kometenhaft auf, um
danach wie eine Sternschnuppe zu verglühen. Wie damals die FDP stehen
heute die Grünen als Ein-Thema-Partei da. Nur mit dem Kampf gegen die
Atomkraft verbunden zu werden könnte ihnen noch zum Verhängnis
werden. Beschleunigt die Regierung den Atomausstieg, wird man im
Wahljahr 2013 womöglich über ganz andere Themen sprechen. Es mag ja
sein, dass manche Grüne eine kluge Idee von grüner Industriepolitik
und grüner Innenpolitik haben. Nur hat der neue Rekordwert damit
herzlich wenig zu tun. Vor dem Flirt mit einer Kanzlerkandidatur
sollten sich die Grünen also hüten. Wie groß sie wirklich sind,
werden sie in zwei Jahren wissen.
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