HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zum Weltfrauentag

Ein Kommentar von Stephanie Nannen

Sind denn Frauen wirklich so diskriminiert, unterjocht, so schwach
und ungehört an allen anderen 364 Tagen, dass es dieses Termins am
8.März bedarf? Fort mit dem Internationalen Frauentag! Das möchte man
sagen, möchte es laut rufen – und auch so meinen. Leider ist das
unmöglich. 100 Jahre nachdem Clara Zetkin den Frauentag erfand, sind
drei Fünftel der Ärmsten auf der Welt Frauen, sind zwei Drittel der
Analphabeten Frauen, gehen zehn Prozent der Weltlohnsumme an Frauen,
werden zwei Drittel der unbezahlten Arbeit von Frauen geleistet; sie
produzieren mehr als die Hälfte aller Nahrungsmittel und halten
gerade ein Prozent des Vermögens aller Länder. Menschenhandel, der
zumeist Frauenhandel ist, bringt den Profiteuren jährlich 30
Milliarden Dollar. Frauen werden vergewaltigt, beschnitten,
gesteinigt, eingesperrt – alles ganz offiziell. Für diese Menschen,
die Leid erfahren, weil sie Frauen sind, muss es den Internationalen
Frauentag geben. Für sie müssen wir uns einmischen, die
Globalisierung von Rechten und Werten vorantreiben. Unsere
hauseigenen Probleme jedoch, dass Frauen 23 Prozent weniger Geld
verdienen als Männer, dass sie nicht in Chefetagen, dafür aber
unbezahlt im Haushalt zu finden sind, dass die Wahl zwischen Baby und
Beruf immer noch getroffen werden muss, dass Familienpolitik hier
immer gleich Frauenpolitik meint – diese Mängel müssen wir endlich
gemeinsam angehen. Vernehmbar, klug, nachhaltig. Nicht an einem
Frauentag, jeden Tag. Wer Feministinnen für frigide, nervige Tanten
hält und Feminismus für überlebt, der ist töricht. Die Dinge
verändern sich nicht von allein. Ein moderner, kraftvoller Feminismus
kann dabei helfen. Helfen, in unserer Gesellschaft ein Umdenken zu
erreichen. Eine Gesellschaft zu formen, die von Respekt geprägt ist,
von Anerkennung und einer Gleichheit, die Gleichwertigkeit meint, in
der Männer und Frauen sich auf Augenhöhe begegnen und in der es für
beide die Freiheit gibt, zu entscheiden. Dies braucht Kraft. Und Mut.
Und Entschlossenheit. Einen Frauentag braucht das nicht unbedingt.

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