Ein Kommentar von Roman Heflik
Wenn man so will, kann man das Urteil zur Sicherungsverwahrung als
Zumutung bezeichnen. Es mutet Gerichten und Polizeibehörden zu, sich
mit Hunderten von Urteilen und Hochkriminellen neu befassen zu
müssen. Vor allem aber mutet es Bürgern zu, sich Sorgen zu machen, ob
demnächst zahlreiche gefährliche Straftäter freigelassen werden. Doch
Karlsruhe handelt nicht im luftleeren Raum: Es lässt den Gerichten
Zeit, jeden Fall von Sicherungsverwahrung noch mal zu überprüfen. Und
es gibt Gründe für diese Entscheidung. Da ist zunächst das Prinzip,
dass im Rechtsstaat Menschen nur nach einer Straftat und einem
Gerichtsurteil für eine fest bemessene Zeit eingesperrt werden
dürfen. Das stößt sich aber an der bis Anfang 2011 vollzogenen
Praxis, den Freiheitsentzug lediglich aufgrund von Gutachten zu
verlängern. Dieses Wegsperren lässt sich nur rechtfertigen, wenn man
sich absolut sicher ist, dass der Eingesperrte in Freiheit wieder
schwere Gewalttaten begehen wird. Genau das fordern nun die Richter
und hinterfragen nun kritischer diese Vorhersagen. Und stellen einen
weiteren Punkt heraus: Wenn man schon jemanden hinter Gittern behält,
obwohl er seine gesetzliche Strafe schon abgesessen hat, dann muss
man ihm zumindest die Hoffnung auf die Freiheit wiedergeben und sich
tatsächlich um seine Therapie bemühen. Das hat die deutsche Justiz
bislang versäumt.
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