Italien:ÄRZTE OHNE GRENZEN fordert deutlich bessere Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge und Migranten auf Lampedusa

Die medizinische Nothilfeorganisation ÄRZTE
OHNE GRENZEN fordert die italienischen Behörden erneut dazu auf, die
Aufnahmebedingungen für Menschen aus nordafrikanischen Ländern
drastisch zu verbessern, insbesondere für Frauen, Kinder,
unbegleitete Jugendliche und Gewaltopfer. Am vergangenen Wochenende
sind zwölf Boote mit 2.665 Flüchtlingen, Asylsuchenden und Migranten
an den Küsten Italiens gelandet. Weitere 715 Personen wurden von
einem Boot vor der Küste gerettet. Drei Viertel der Boote kamen aus
Libyen. Auf die Ankunft der meisten reagierten die italienischen
Behörden völlig unangemessen.

„Während die Politiker über die Zukunft von Migranten in Europa
diskutieren, landen in Italien Flüchtlingsschiffe und Menschen leiden
unnötig. Italien muss dringend seine Verantwortung wahrnehmen und
angemessene Aufnahmebedingungen für Menschen schaffen, die
verzweifelt an den Küsten landen“, erklärt Loris De Philippi,
Einsatzleiter von ÄRZTE OHNE GRENZEN. „Am vergangenen Wochenende
gingen den italienischen Behörden selbst trockene Kleidung und
Trinkwasser aus, die für Menschen mit Unterkühlung und im
Schockzustand dringend benötigt werden. Hunderte wurden in überfüllte
Aufnahmezentren gebracht, in denen sie auf schmutzigen Matratzen
schlafen mussten ohne ausreichend Decken, Handtücher und Seife.
Andere waren sogar dazu gezwungen, draußen zu schlafen“, sagt Rolando
Magnano, Landeskoordinator von ÄRZTE OHNE GRENZEN in Italien.

Die Neuankömmlinge vom vergangenen Wochenende kommen zu den mehr
als 27.000 Menschen hinzu, die in diesem Jahr in Italien bereits mit
dem Boot angekommen sind. Viele haben die gefährliche Überfahrt
infolge der Aufstände und Gewalt in Nordafrika seit Dezember 2010 auf
sich genommen. Anfang des Jahres kamen die meisten Neuankömmlinge aus
Tunesien, mittlerweile kommen immer mehr aus Libyen. Am 19. April
erreichte die bisher größte Gruppe per Boot Italien. 760 Menschen
hatten sich auf ein Schiff gezwängt. Die Mehrheit der Ankömmlinge aus
Libyen ist äthiopischer, somalischer und eritreischer Herkunft. Viele
von ihnen waren bereits vor Gewalt in ihrer Heimat geflohen.

„Die Ankömmlinge aus Libyen berichten, dass sie Gewalt erlebt
haben und bedroht wurden. Auf einige wurde geschossen, andere wurden
geschlagen oder haben ihre Freunde sterben sehen“, berichtet Rolando
Magnano. „Andere erzählen von entsetzlichen Haftbedingungen. 65
Menschen werden für einen Monat in einem winzigen Raum ohne Wasser
festgehalten, so dass sie aus Toiletten trinken müssen, um zu
überleben.“

Vergangenen Montag wurden 1.200 Flüchtlinge in das Aufnahmezentrum
auf Lampedusa gepfercht, das nur auf 800 Personen ausgelegt ist.
Kinder und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden in
geschlossenen, gefängnisähnlichen Zentren untergebracht. Seit Februar
kümmert sich ÄRZTE OHNE GRENZEN um die medizinische Erstuntersuchung
von Flüchtlingen, die am Militärhafen von Lampedusa ankommen.
Zusätzlich hat ÄRZTE OHNE GRENZEN fast 800 medizinische
Konsultationen für Migranten und Flüchtlinge in Lampedusa
durchgeführt und hat mehr als 4.500 Decken verteilt sowie mehr als
2.500 Personen mit Hygieneartikeln versorgt.

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