In den vergangenen Tagen ist die Gewalt
im Flüchtlingslager Choucha an der tunesisch-libyschen Grenze
eskaliert. ÄRZTE OHNE GRENZEN ist alarmiert von der Gewalt, der die
Flüchtlinge in den Übergangslagern ausgesetzt sind. Seit Beginn des
Konflikts in Libyen waren Hunderttausende Flüchtlinge vorrübergehend
im Lager Choucha untergebracht. 4.000 Menschen – vor allem aus
Sub-Sahara-Afrika – können jedoch aufgrund der Situation in ihren
Heimatländern nicht zurückkehren und sind ohne jegliche Perspektive.
„Während der vergangenen Wochen haben wir eine zunehmende
Eskalation der Gewalt beobachtet“, sagt Mike Bates, Landeskoordinator
von ÄRZTE OHNE GRENZEN. „Sie sitzen im Lager auf unbestimmte Dauer
fest, das eigentlich als temporäre Unterkunft erbaut wurde. Die
meisten fühlen sich dort in einer Sackgasse ohne jegliche
Perspektive.“
Am Sonntag starben vier Flüchtlinge durch ein Feuer, das sich
nachts in dem Lager ausbreitete und mehr als 20 Zelte zerstörte.
Daraufhin wuchsen die Spannungen und es kam zu Gewaltausbrüchen unter
Flüchtlingen aus verschiedenen Ländern. Auch Anwohner waren darin
verwickelt. Am Dienstag starben mindestens zwei Personen. Viele
wurden verletzt und 300 bis 400 Zelte wurden niedergebrannt.
Seit Anfang März betreut ÄRZTE OHNE GRENZEN Flüchtlinge, die vor
dem Konflikt in Libyen geflohen sind. Die Mitarbeiter führten mehr
als 9.000 psychosoziale Beratungsgespräche. Viele Patienten haben
traumatische Erfahrungen gemacht und auf der Flucht entweder selbst
Gewalt erfahren oder Gewalt an anderen erlebt. Viele Flüchtlinge aus
Ländern südlich der Sahara sind schon vor dem Konflikt Opfer von
Verfolgung und schweren Misshandlungen in Libyen geworden.
Der Konflikt in Libyen hat diese Menschen in weitere
lebensbedrohliche Gefahr gebracht. Seit der Konflikt am 17. Februar
begonnen hat, sind 800.000 Menschen – hauptsächlich keine Libyer –
aus dem Land geflohen, der Mehrheit nach Ägypten und Tunesien.
Tausende haben auf der Flucht über das Mittelmeer nach Europa ihr
Leben riskiert. Mehr als 11.000 Menschen haben die italienische Insel
Lampedusa erreicht. Auch nach Süden sind mehr als 60.000 Menschen
durch die Wüste nach Niger und darüber hinaus geflohen.
ÄRZTE OHNE GRENZEN hat am 19. Mai in einem offenen Brief an die in
den Krieg in Libyen involvierten europäischen Staats- und
Regierungschefs die widersprüchliche europäische Flüchtlingspolitik
kritisiert. „Die letzten Entwicklungen im Lager Choucha zeigen die
fehlende Sicherheit für die Flüchtlinge aus Libyen. Insbesondere für
die Menschen aus der Sub-Sahara ist die Fahrt auf der Suche nach
einem besseren Leben wie ein niemals endender Albtraum“, sagt Bates.
ÄRZTE OHNE GRENZEN versorgt seit Februar die Opfer des Konflikts
in Libyen. Mitarbeiter der Organisation arbeiten in den libyschen
Städten Misrata, Bengasi und Sintan, entlang der libysch-tunesischen
Grenze, auf Lampedusa in Italien sowie im Niger. Sie werden jeden Tag
Zeugen der Auswirkungen des Krieges auf die Zivilisten.
Pressekontakt:
Stefan Dold, Tel.: 030 700 130 230, Christiane Winje, Tel.: 030 700
130 240, www.aerzte-ohne-grenzen.de