Lausitzer Rundschau: Auf ewig Bonn-Berlin?

Die deutsche Hauptstadt – vor 20 Jahren fiel der Umzugsbeschluss

Von all den Argumenten, die am 20.Juni
1991 so bedeutungsschwer im Bonner Wasserwerk gegen einen Umzug nach
Berlin vorgebracht wurden, hat nicht ein einziges die Zeit
überdauert. In Bonn sind die Lichter nicht ausgegangen, ganz im
Gegenteil, die Stadt hat sich prächtig entwickelt. Und zwar nicht
wegen der dort verbliebenen Beamten, sondern wegen der Konzerne, die
sich zwischen den ehemaligen Bundesbauten am Rhein eingenistet haben.
Auch ist Deutschland durch den Umzug nicht zentralistischer geworden,
sondern föderal wie eh und je. 20 Jahre nach jener legendären
Debatte, die scheinbar ein hohes Niveau bot, in Wirklichkeit aber
bloß der Kampf zwischen politisch-historischer Weitsicht und den
vorgeschobenen Argumenten eines puren regionalen Lobbyismus war,
haben selbst die eingefleischtesten Bonn-Befürworter ihre damalige
Haltung längst revidiert. Viele von ihnen sagen hinter vorgehaltener
Hand, dass die neue Hauptstadt doch weltläufiger und weniger
provinziell sei als die alte. Was so nun auch wieder nicht stimmt.
Kein Beamter will zum Dienstsitz Bonn versetzt werden, der ein
politisches „Outback“ geworden ist, wie man in Australien das dürre
Buschland nennt. Keine Spannung, keine Karriere, nur das öde
Zeitabsitzen bis zur nächsten Beförderung. Doch trotz all dieser
Entwicklungen wagt keiner den nächsten, konsequenten Schritt, den
Komplettumzug. Wie ein Mantra heißt es dann bei den einen: Das
Bonn-Berlin-Gesetz gilt. Dieser Satz ist die Fleisch gewordene
Rachelust jener, die vor 20 Jahren bei der Abstimmung knapp
unterlagen. Es mag Gutachten in Serie geben, die den doppelten
Regierungssitz für eine Verschwendung von Geld und Humankapital
halten, die Doppelarbeit, Kommunikationsmängel und Reibungsverluste
beklagen – dieser verrostete Trostpreis namens Bonn-Berlin-Gesetz
wird selbst in der größten Not nicht rausgerückt. Natürlich könnte
man wie jedes Gesetz auch dieses ändern, doch nun kommen die anderen
und sagen: Es gibt dafür keine Mehrheit im Bundestag. Also versuchen
sie es nicht einmal. Das ist die Fleisch gewordene Bequemlichkeit
jener, die es besser wissen, aber zu faul sind, einen unhaltbaren
Zustand als das zu bezeichnen, was er ist, und entsprechend
anzugreifen. Weil die Rutschbahn nach Berlin steht, wird gleichzeitig
ein fortgesetzter Gesetzesbruch toleriert. Und so lässt sich nach 20
Jahren resümieren, dass die Berliner Republik sich doch nicht allzu
sehr von der Bonner unterscheidet. Nicht große politische Würfe
prägen unser Land, sondern eine Mischung aus Regionalproporz,
Opportunismus und Beharrungsvermögen. Alles wie gehabt.

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