Lausitzer Rundschau: Die Koalition will wieder einmal Steuern senken / Auftakt zum Sommertheater

Unter den zahlreichen Irrungen und Wirrungen der
Bundesregierung darf die Steuerpolitik als Parade-Disziplin gelten.
In schlechter Erinnerung geblieben ist nicht nur eine hoch
umstrittene fiskalische Entlastung für Hotelbesitzer. Daneben gab es
noch eine wahre Kaskade von Ankündigungen und Dementis. Nun hat
Schwarz-Gelb diesem traurigen Kapitel eine weitere Seite hinzugefügt:
Wieder einmal verheißen die Koalitionsspitzen Steuersenkungen. Aber
nicht jetzt, sondern erst 2013. Obendrein bleibt offen, wie und wo
genau. Was soll der Bürger damit anfangen? Sich über die Regierung
freuen? Wohl kaum. Zu erwarten ist viel mehr, dass der Frust über die
Koalition sogar bei den verbliebenen Anhängern umschlägt in ein: Die
können es nicht. Wie undurchdacht die vermeintlich frohe Botschaft
ist, zeigt sich schon an der praktisch zeitgleich vorgelegten
Finanzplanung von Kassenwart Wolfgang Schäuble: Entlastungen für die
Bürger, in welcher Form auch immer, sind darin nicht vorgesehen. Der
Vorgang verstärkt jedenfalls den Verdacht, dass die neuerliche
Geschenkidee einzig parteitaktischem Kalkül entspringt und nicht etwa
einer nachhaltigen Konzeption. Tatsächlich wird 2013 ein neuer
Bundestag gewählt. Und die FDP scheint schon über die späte
Genugtuung zu frohlocken, dass sie der Union wieder einmal ein
Entlastungsversprechen abgetrotzt hat. Genau das könnte den Liberalen
noch Leid tun. Schäuble selbst hat den ersten Fallstrick bereits
ausgelegt. Wer Steuern senken will, so sein listiges Credo, der muss
Einsparungen an anderer Stelle vorschlagen. Nicht, dass die Liberalen
keine Ideen hätten, um zum Beispiel den üppigen Subventionsdschungel
zu lichten. Doch nach aller Erfahrung entwickeln sich daraus schnell
kontroverse Debatten, die das politische Hauptanliegen in den
Hintergrund treten lassen. Und wenn es trotzdem gelingen sollte, ein
ansehnliches Entlastungspaket zu schnüren, dann steht die Koalition
immer noch vor der schwerlich zu lösenden Aufgabe, eine Mehrheit im
Bundesrat davon zu überzeugen. Denn warum sollten SPD-regierte Länder
ausgerechnet für das Wahljahr ein liberales Wiederbelebungsprogramm
durchwinken? Von den zahlreichen Skeptikern unter den
Ministerpräsidenten mit CDU-Parteibuch ganz zu schweigen. Bliebe noch
eine Senkung der Sozialbeiträge, die nebenbei bemerkt als einzige
Maßnahme den Geringverdienern zugute käme, weil sie ohnehin kaum oder
gar keine Steuern zahlen. Eine solche Operation kann Schwarz-Gelb
allein ins Werk setzen. Dumm nur, dass die Spielräume auch hier
gering sind. Einzig die Rentenkasse bietet Luft dafür. Derweil wäre
bei der Pflegeversicherung sogar eine Beitragsanhebung nötig, falls
die Koalition ihre versprochenen Leistungsverbesserungen etwa für
Demenzkranke ernst nimmt. Und ob es politisch sinnstiftend ist, den
allgemeinen Krankenkassenbeitrag zu reduzieren, um im Gegenzug
individuelle Zusatzbeiträge auf breiter Front zu riskieren, darf doch
stark bezweifelt werden. Wie man es auch dreht und wendet: Der
Bundesregierung droht mit ihrer neuerlichen steuerpolitischen
Inszenierung eine handfeste Blamage. Das dürfte sich schon in den
kommenden Wochen zeigen, wenn der Plan in den eigenen Reihen hin und
her gewälzt wird. Ein Vorratsbeschluss, dem jede Substanz fehlt, eine
bloße Absichtserklärung – das ist genau der Stoff, aus dem politische
Sommertheater gemacht sind. Vorhang auf.

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