Lausitzer Rundschau: Ein Schrei nach Hilfe Zu den Suchtproblemen vonälteren Menschen

Hier mal ein Schluck Pfefferminzlikör, dort ein
Schnaps oder ein Bier. Und manchmal bleibt es nicht dabei. Immer mehr
ältere Menschen in Sachsen und Brandenburg haben ein Suchtproblem.
Immer öfter greifen sie zur Flasche, nehmen Pillen und Tropfen,
verschrieben von Fachärzten oder einfach so gekauft rezeptfrei in der
Apotheke. Und oft steht dahinter ein Problem: Die Einsamkeit im Alter
ist nach Ansicht von Suchtberatern der wichtigste Grund dafür, dass
Senioren zu Abhängigen werden. Dass sie ihre Zeit beim Arzthopping in
Wartezimmern oder mit der Flasche Bier auf der Parkbank verbringen.
Und das ist eine Erkenntnis, die die Gesellschaft nicht kalt lassen
darf. Denn die Sucht ist keineswegs nur ein Problem von Pflegekassen,
Heimen und Sozialversicherungen. Wer dieses Thema auf höhere Kosten
reduziert oder sich Sorgen darum macht, wie sich unter diesen
Bedingungen der Alltag in einem Seniorenheim organisieren lasse,
zeigt damit im Prinzip doch nur, dass er das Problem insgesamt noch
nicht verstanden hat. Denn wenn alte Menschen aus Einsamkeit heraus
in die Sucht abrutschen, deutet das vor allem auf eines hin: Der
Gedanke der generationenübergreifenden Solidarität, der hinter
unserem Sozialstaat steht, funktioniert nicht mehr. Wenn zum Beispiel
Berliner Rentner einen Seniorenclub aus Angst vor einer Schließung
besetzt halten, macht das nicht ohne Grund Schlagzeilen selbst in
Singapur. Es ist ein Armutszeugnis für unser ganzes Land. Oder haben
wir unseren Rentnern nach einem langen und oft harten Arbeitsleben
wirklich nicht mehr zu bieten als Altersarmut und den Griff zur
Flasche? Wo sind die freundlichen Worte für die alte Nachbarin, wo
ist die gemeinsame Tasse Kaffee? Und mancher ältere, alleinstehende
Herr würde sich vielleicht schon freuen, wenn ihm jemand mal die
Tüten in den vierten Stock trägt, bei der Fahrt zum Einkaufszentrum
im Auto noch ein Plätzchen für ihn frei wäre oder er den
Nachbarskindern bei den Hausaufgaben helfen darf. Wenn Rentner trotz
all ihrer gesammelten Lebenserfahrung nicht mehr weiter wissen, wenn
nur noch der Alkohol oder die Beruhigungsmittel der Ausweg aus dem
immer gleichen Alltag in der immer gleichen, leeren Wohnung ist, dann
muss das die Gesellschaft genauso betroffen machen wie das Bild der
15-jährigen Teenagerin, die betrunken auf irgendeiner Parkbank liegt.
Denn auch im Alter ist die Sucht ein Schrei nach Hilfe – und es wird
Zeit, dass wir ihn endlich einmal hören.

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