Lausitzer Rundschau: Endlich mal Kante

Bundespräsident Wulff sagt Besuch bei ThyssenKrupp ab

Bundespräsident Christian Wulff ist auffällig
geworden. Endlich. Seine Absage des Besuchs bei ThyssenKrupp während
seiner Brasilien-Reise ist nur konsequent gewesen. In der Heimat
hätte niemand verstanden, dass das Staatsoberhaupt einem Unternehmen
die Aufwartung macht, welches demnächst mehrere Tausende Mitarbeiter
rauswerfen will. Davon abgesehen, dass der Konzern offenbar auch
versucht hat, den Präsidenten indirekt vor seinen Karren zu spannen.
Wie sonst soll man sich erklären, dass Wulff von den
Massenentlassungen nicht in Kenntnis gesetzt wurde? Dem
Bundespräsidenten sind somit peinliche Nachfragen erspart geblieben.
Und er hat gezeigt, dass er lieber auf der Seite der Beschäftigten
und nicht auf der der Manager steht. Mehr von dieser Art der klaren
Kante! Bald ist der Niedersachse nämlich ein Jahr im Amt, und so
genau weiß eigentlich niemand, was der nette und beliebte Herr Wulff
mit seiner Präsidentschaft nun anfangen will. Inhaltlich hat er sich
bisher nicht erkennbar eingemischt oder aber versucht, Richtungen zu
weisen, Diskussionen zu initiieren. Möglichkeiten dazu hat es in den
vergangenen Monaten jedoch reichlich geben: So hätte sich Wulff zum
Beispiel zu Fragen von Moral und Anstand in der Politik äußern
können, die ja durch die Guttenberg-Affäre durchaus gestellt wurden.
Stattdessen ist er lieber passiv geblieben. Auch die
gesamtgesellschaftliche Debatte über die Kernenergie nach der
Katastrophe von Fukushima hat Wulff mehr oder weniger an sich
vorbeiplätschern lassen. Bislang ist lediglich sein Satz in
Erinnerung, der Islam gehöre zu Deutschland. Nach einem Jahr im Amt
ist das dann doch etwas wenig.

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