Lausitzer Rundschau: Zerbröselte Pfeiler

Die Krise der FDP muss auch die Kanzlerin beunruhigen

Die weitgehende Teilnahmslosigkeit, mit der Angela
Merkel die Entwicklungen bei ihrem Koalitionspartner FDP verfolgt,
kann nur gespielt sein. Denn die Kanzlerin weiß doch ganz genau, dass
das Siechtum der FDP eine extreme Belastung und eine Bewährungsprobe
für ihr schwarz-gelbes Bündnis ist. Auch die Personalentscheidung der
Liberalen vom Dienstag bedeutet ja nicht, dass ihre Problem-Koalition
von jetzt auf gleich in ruhigerem Fahrwasser segeln wird. Im
Gegenteil. Zum einen sind die tragenden, inhaltlichen Pfeiler des
2009 verabschiedeten Koalitionsvertrags längst zerbröselt: Die
Steuersenkungen wurden auf unbestimmte Zeit verschoben, die
Gesundheitsreform endete in Beitragserhöhungen. In der Energiepolitik
legt Schwarz-Gelb derzeit eine atemberaubende Abkehr von der eigenen
Atomwende hin, und in der Außenpolitik gibt es neuerdings einen
deutschen Sonderweg. Kein einziges Projekt ist mehr erkennbar, für
welches Union und FDP noch glaubwürdig stehen. Neue Konflikte drohen
zudem, wenn die junge FDP-Garde jetzt den mitfühlenden Liberalismus
ausrufen will, der sich so gar nicht mit den Erwartungen des
bürgerlich-konservativen Unionslagers deckt. Auf der anderen Seite
hat es die Kanzlerin mit einer FDP zu tun, die seit Dienstag nicht
berechenbarer geworden ist. Denn den großen, sinnvolleren Umbruch
haben die Liberalen gescheut – der intrigante Konflikt zwischen Alt
und Jung in der Partei schwelt durch die kleinstmögliche
Personallösung weiter. Philipp Rösler muss die Liberalen zudem jetzt
im Regierungsalltag neu aufstellen und die FDP insgesamt
programmatisch wahrnehmbarer machen. Röslers Profilierung wird
zwangsläufig auch zulasten der Union und der Kanzlerin gehen. Merkel
wiederum wird sich auf die verschobenen Gewichte in der FDP
einstellen müssen. Dazu gehört auch ein Außenminister Guido
Westerwelle, der von der eigenen Partei nur noch geduldet wird und
ein widerspenstiger Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, der der
Regierung mit der Protokollaffäre schwer geschadet hat und eigentlich
für den künftigen FDP-Vorsitzenden seinen Kabinettsposten räumen
sollte. Teamarbeit ist alles andere als gewährleistet. Ach ja, und
dann ist da noch ein CSU-Chef Horst Seehofer, der nicht stillhalten
wird, wenn die Liberalen auf Profilsuche gehen werden. Merkels Herbst
der Entscheidungen war schon ein Desaster. Sie sollte nun rasch den
Frühling der Besinnung ausrufen – in dem sie die Koalition zur
Klausur bittet. Um wenigstens mit einem neuen Koalitionsvertrag ein
deutliches Signal zu senden, dass ihre Regierung doch noch nicht am
Ende ist.

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