Populismus und Lobbyismus sind die beiden größten
Feinde finanzpolitischer Solidität und steuerlicher Gerechtigkeit.
Eineinhalb Jahre lang wurde den Bürgern gesagt, dass Steuersenkungen
nicht möglich seien wegen der Sparnotwendigkeiten. So lange wurde das
gepredigt, bis es auch der Letzte kapiert hatte. Nun aber, da zur
Schuldenbremse noch die Aufgaben Energiewende und Griechenlandhilfe
dazugekommen sind, sollen plötzlich zehn Milliarden rausgehauen
werden. Jetzt wird dieses Rösler-Rettungspaket den Liberalen auch
nicht mehr helfen, im Gegenteil. Bestenfalls verpufft es, im
schlechtesten Fall handeln sich Merkel und Rösler auch noch den Ruf
der Unseriosität ein. Bei dieser Regierung stimmt das Timing nicht.
Aber auch die Zielrichtung stimmt nicht. Deutschland hat keine
überhöhte Steuerbelastung. Sie liegt im unteren Mittelfeld der
Industrieländer. Es gibt keinen Grund zur Absenkung des
Gesamtaufkommens, zumal dann nicht, wenn der Staat noch wichtige
Arbeiten vor sich hat, etwa im Bildungsbereich. Übrigens auch in den
Ländern und Gemeinden, die jede Absenkung bei der Einkommensteuer zu
mehr als der Hälfte finanzieren müssten und deshalb jetzt zu Recht
protestieren. Das Problem in Deutschland ist allenfalls, dass große
Vermögen gar nicht und hohe Erbschaften kaum besteuert werden, sodass
die Last überwiegend auf Erwerbseinkommen aller Art liegt. Besonders
schwer wiegt sie für die mittelprächtig verdienenden Menschen, denn
die Progressionskurve steigt sehr steil an. Von jedem
Einkommensfortschritt bleibt immer weniger netto in den Taschen. Der
Ruf der FDP und anderer nach einer Korrektur der kalten Progression
ist völlig berechtigt. Nur bedeutet er keineswegs, dass das auf
Kosten künftiger Generationen oder der Leistungsfähigkeit des Staates
gehen muss. Das Thema lautet Umverteilung. Die Last auf den
Erwerbseinkommen wird durch das Sozialsystem verstärkt, welches sich
fast allein aus Löhnen speist, plus Staatszuschüssen. Weder
Mieteinnahmen, noch Immobilien- oder Aktiengewinne, die
Einkommensquellen der Vermögenden, werden zur Finanzierung der
Sozialsysteme herangezogen. Wer reich ist in Deutschland, lebt
vergleichsweise billig, wozu die Beitragsbemessungsgrenzen ebenso
beitragen wie alle Arten von Abschreibungsmöglichkeiten. Man denke
nur an das Dienstwagenprivileg. Kleine Einkommen hingegen werden vom
Sozialsystem so erfasst, dass oft ein Vollzeitjob nicht mehr reicht,
um ohne Stütze eine Familie zu ernähren. Die Schere zwischen Arm und
Reich öffnet sich weiter. Beide Schieflagen zusammen, die des Steuer-
und die des Sozialsystems, belasten jene Schichten, die für die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes am wichtigsten sind. Es
sind die, über die einst Guido Westerwelle so stolz geredet hat. Hier
für Erleichterungen zu sorgen, durch eine gerechtere Verteilung, das
wäre ein Reform, die möglich wäre, ohne gleichzeitig die
Staatsfinanzen in Unordnung zu bringen. Und die schon morgen
angepackt werden könnte, nicht erst populistisch zur nächsten
Bundestagswahl. Aber Schwarz-Gelb schafft ja noch nicht einmal die
Korrektur des absurden Systems der unterschiedlichen
Mehrwertsteuersätze. Aus Angst vor den Lobbyisten.
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