Lokführer privater Güterverkehrsunternehmen
überfahren rote Signale dreimal so häufig wie bei der Deutschen Bahn.
Das ergeben Berechnungen des Bahnsicherheitsexperten Professor Jochen
Trinckauf von der TU Dresden, die dem ARD-Politikmagazin „Report
Mainz“ exklusiv vorliegen. Trinckauf erklärte dazu: „Solche Zahlen
sind ein Achtungszeichen und man muss die Verantwortlichen darauf
hinweisen, dafür zu sorgen, dass nicht etwa unter Kostendruck an der
Sicherheit gespart wird.“ Ein großer Teil der Signalüberfahrungen sei
dadurch zu erklären, dass Lokführer den Bremsweg falsch einschätzten.
Etwa 30 Prozent der Signalüberfahrungen gingen auf
Unkonzentriertheit, Müdigkeit und Schlaf zurück.
Insgesamt gab es 2009 laut Eisenbahnbundesamt 355
Haltesignalüberfahrungen. Die Zahlen sind vor dem Hintergrund des
Zugunglücks von Hordorf brisant. Auch dort hatte ein Lokführer eines
privaten Unternehmens ein Haltesignal überfahren. Ob Übermüdung die
Ursache war, ist nicht bekannt.
Der stellvertretende Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GdL,
Sven Grünwoldt, sagte zu diesen Informationen gegenüber „Report
Mainz“: „Für uns sind das erschreckende Zahlen. Signalüberfahrungen
sind das Schlimmste, was auf der Strecke passieren kann. Das kann man
sich eigentlich nur damit erklären, dass in der Branche
möglicherweise verschärfte Arbeitszeitbestimmungen herrschen und
dadurch die Lokomotivführer unaufmerksamer sind.“
„Report Mainz“ liegen exklusiv Arbeitszeitnachweise von Lokführern
privater Güterunternehmen vor, wonach über Monate hinweg regelmäßig
Zeiten ohne Pause bis hin zu 22 Stunden pro Tag abgerechnet wurden.
Ein Lokführer erklärte dazu gegenüber dem Politikmagazin: „Die
längste Fahrt, die ich in der Aufzeichnung habe, sind 23 Stunden am
Stück. Andere Fahrten waren 17 Stunden, mit drei Stunden Pause auf
der Lok, das sind auch wieder 20 Stunden am Stück auf der Lok.“
Gesetzlich erlaubt sind in Ausnahmefällen Arbeitszeiten bis zu zwölf
Stunden. Sven Grünboldt von der GdL erklärt dazu: „Für uns sind das
absolut erschreckende und alarmierende Zahlen. Hier ist sofortiger
Handlungsbedarf.“
Gerade bei Zeitarbeitsfirmen, die Lokführer verleihen, sollen
Überstunden Insidern zufolge besonders häufig auftreten. Dazu
erklärte ein Lokführer gegenüber dem SWR: „Das größte Problem ist
doch der Leistungsdruck, der auf diesen Kollegen lastet, Überstunden
zu machen in Verbindung mit den fehlenden Kenntnissen, was die
Baureihen, was die Strecken anbelangt, hier sehe ich doch ein sehr
großes Gefahrenpotential.“
Laut Eisenbahnbundesamt haben über 300 private
Eisenbahnunternehmen eine Genehmigung, Güterverkehr auf der Schiene
zu betreiben. Der Wettbewerb gilt als hart, der Kostendruck hoch.
Zitate gegen Quellenangabe frei. Bei Fragen wenden Sie sich bitte
an „Report Mainz“, Tel.: 06131/929-3351.