LVZ: Grünen-Spitzenpolitiker Palmer: „Stuttgart 21“ müsse in vernünftige Bahnen gelenkt werden und der Bahnhof oben bleiben

Tübingens Grünen-Oberbürgermeister Boris Palmer,
der als enger Vertrauter des designierten Grünen-Ministerpräsidenten
von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, und für manche als
Kandidat für das Amt des Landesverkehrsministers gilt, hat die
Beibehaltung eines oberirdischen Stuttgarter Hauptbahnhofs als
zentrales Wahlversprechen seiner Partei erneuert. In einem Gespräch
mit der „Leipziger Volkszeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) sagte Palmer
zugleich: „Die Aufgabe ,Stuttgart 21– in vernünftige Bahnen zu lenken
und den Bahnhof oben zu behalten und zu modernisieren, ist eine
Sache, die mich wirklich umtreibt.“. Da gehe es „um Identität“. Den
Bahnhof, eines der wenigen großen zentralen Gebäude Stuttgarts, das
den letzten Weltkrieg einigermaßen heil überstanden hat, „wollen die
Menschen mehrheitlich behalten“, schlussfolgert Palmer aus dem
Resultat des Wahl- und Volksbefragungstages. „Moderner, mit einer
neuen Halle, meinetwegen mit zusätzlichen Gleisen, auf jeden Fall mit
schnelleren Verbindungen, aber eben doch oberirdisch.“

„Ohne ,Stuttgart 21– hätte Winfried Kretschmann die entscheidenden
Prozentpunkte für den Regierungswechsel und für den grünen
Ministerpräsidenten nicht gewonnen“, sagte Palmer „Wenn ,Stuttgart
21– in der bevorstehenden grünen Regierungszeit einfach so realisiert
werden würde, dann wäre das eine wahnsinnige Enttäuschung für
wahrscheinlich hunderttausende von Menschen, die ihre Stimme mit der
Hoffnung verbunden haben, genau das zu vermeiden“, meinte Palmer, der
als einer der Wortführer der diskutierenden Anti-„Stuttgart
21″-Bewegung bekannt geworden ist. „Diesen Vertrauensvorschuss müssen
wir jetzt rechtfertigen. Wir müssen einen Weg finden, diese
Erwartungen auch in Regierungshandeln umzusetzen. Leicht wird es
nicht.“

Der von der Bahn vorerst verkündete Vergabestopp – ein Atemholen
bis zur Regierungswahl – sei plausibel. „Die Deutsche Bahn hat kein
Interesse, mit dem Land Baden-Württemberg einen ihrer größten
Auftraggeber im Nahverkehr mit 700 Millionen Euro Jahresumsatz zu
verprellen.“ Baden-Württemberg bleibe auch ohne den Tiefbahnhof ein
starkes Eisenbahnland. „Und die Bahn sieht wohl ein, dass die Bürger
mit der Landtagswahl eine deutliche Antwort über dieses Projekt
gegeben haben“, sagte Palmer.

Auf die Frage, ob Kretschmann, Palmer und die Grünen angesichts
ihres Wahlsieges demütig genug seien, um mit dem Erfolg auch seriös
umzugehen, meinte Palmer: „Winfried Kretschmann ist sehr demütig. Der
ist ja nicht umsonst Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken.“ Die
Partei der Grünen habe aber auch in ihrer Breite realisiert, „dass
Demut die einzige Chance ist, diese besondere Konstellation des
Macht- und Regierungswechsels in Baden-Württemberg zu einem Erfolg zu
machen“.

Man müsse sich ja immer verdeutlichen, dass nahezu die gesamte
Wirtschaftselite, die großen Unternehmensverbände, die Verwaltungen,
die Landkreise fest in CDU-Hand seien „und dass deswegen eine
Regierung, die versuchen würde, hier jetzt handstreichartig oder
revolutionär Beschlüsse herbeizuführen, zum Scheitern verdammt wäre“,
räumte Palmer ein. Sein Rezept, für den Bahnhof und für
Baden-Württemberg gleichermaßen gültig: „Baden-Württemberg kann man
nur langsam und im Dialog verändern. Mit der Brechstange geht hier
gar nichts. Das musste auch Stefan Mappus schmerzhaft lernen. Ich
glaube, aus Vernunft heraus ist die Demut bei uns ausreichend
ausgeprägt.“

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