Im Ringen um den umstrittenen Tiefbahnhof
„Stuttgart 21“ erwartet der designierte baden-württembergische
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) für Sommer eine
Entscheidung von Bund und Bahn, ob sie tatsächlich für die ziemlich
wahrscheinlichen Mehrkosten über den Betrag von 4,5 Milliarden Euro
hinaus allein aufkommen wollen und können. In einem Interview mit der
„Leipziger Volkszeitung“ (Sonnabend-Ausgabe) sagte Hermann: „Meine
Hauptaufgabe ist es, ,Stuttgart 21– kritisch zu begleiten und eine
andere Bahnpolitik in Baden-Württemberg einzuleiten.“ Er werde so
schnell wie möglich den vereinbarten Stresstest in Sachen „Stuttgart
21″ begleiten und ihn vollkommen transparent gestalten. „Bis zum
Sommer wird man wissen: Was bedeutet eine um 30 Prozent gesteigerte
Leistungsfähigkeit des Bahnhofstunnels für die Kostenentwicklung und
für die planerische Umgestaltung. Das wird den Kostenrahmen von 4,5
Milliarden Euro ziemlich sicher übersteigen. Dann müssen der Bund und
die Bahn entscheiden, ob sie die Segel streichen oder die Mehrkosten
tragen wollen“, sagte Hermann. Ganz am Ende stehe dann noch die
Frage, ob sich die Mehrheit der Bürger in einem Volksentscheid für
den Weiterbau des Untergrundbahnhofs ausspreche. „Wir haben vor der
Wahl eine Volksabstimmung versprochen. Die wird stattfinden. Das
Votum wird anerkannt. Auch von mir als Minister“, versicherte
Hermann.
Der Grünen-Politiker erinnerte in dem Interview daran, dass er
sich immer als pragmatischen Linken verstanden habe. „Eine
Mitgliedschaft in einer K-Gruppe kam für mich auch in meiner
studentischen Jugendzeit nie in Frage. Meine Vorstellung war immer,
man muss die Welt so nehmen, wie sie ist, aber man muss sie nicht so
lassen“, sagte Hermann. „Die größten Revolutionäre sind die, die den
längsten Atem haben und nicht die, die schnell alles auf einmal
wollen.“
Anders als SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, der mit einem jüngsten
demonstrativen Besuch beim Zuffenhausener Sportwagen-Produzenten
Porsche für schnelle, starke und traditionelle Autos Made in
Baden-Württemberg geworben hat, versicherte Hermann: „Ich selber habe
noch nie eine libidinöse Beziehung zu Autos gehabt. Mein Verhältnis
zu Transportmitteln aller Art ist vollkommen rational. Ich möchte
gerne, dass die Automobilindustrie möglichst effiziente,
klimafreundliche und nachhaltige Autos anbietet. Wir brauchen mehr
klimafreundliche Autos. Das ist die Ansage“, so der Grüne.
Mit Blick auf den eigenen Fuhrpark der grün-roten Landesregierung
kündigte Hermann an: Sein erstes Dienstfahrzeug werde ein
Elektrofahrrad sein. „Dann werde ich für die gesamte Regierung einen
Vorschlag machen, wie wir uns zukünftig vorbildlich und
klimafreundlich fortbewegen sollten.“ Baden-Württemberg solle zur
Pionierregion für nachhaltige Mobilität gemacht werden. Dazu gehörten
unter anderem klimafreundlichere Autos, eine bessere Förderung des
Radverkehrs, eine stärkere Entwicklung des öffentlichen
Personennahverkehrs. „Die nachhaltige Mobilität wird in fünf Jahren
nicht ganz zu erreichen sein. Aber große Schritte dahin wollen wir
machen“, versicherte Hermann.
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