LVZ:Özdemir: Mit Kretschmann-Wahl sind Grüne nicht mehr klein und fein / Gespräche mit CDU wieder denkbar / FDP müsse Westerwelle-Problem lösen

Eine Veränderung auch seiner Partei erwartet
Grünen-Chef Cem Özdemir durch die für heute, Donnerstag, geplante
Wahl des Grünen-Politikers Winfried Kretschmann zum neuen grün-roten
Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. In einem Interview mit der
„Leipziger Volkszeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) sagte Özdemir: „Das ist
natürlich ein Ereignis, das über Baden-Württemberg hinaus eine
historische Dimension für die Grünen hat. Der Erfolg dieser
grün-roten Regierung wird bundesweite Signalwirkung haben. Das heißt
auch, dass die Vorstellung von den kleinen, aber feinen Grünen vorbei
ist. Das wird meine Partei verändern“, so Özdemir. Alle wüssten, dass
Winfried Kretschmann und sein Team „mit Argusaugen beobachtet werden,
um zu prüfen, was wir können“. Aber da sei er sehr zuversichtlich.

Die notwendige Demut gebiete es für die Grünen, weder übermütig zu
werden, noch die „virtuelle Debatte“ um einen Bundeskanzler von den
Grünen zu führen. Allerdings rechne man sich Erfolge in Bremen, in
Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin bei den nächsten Landtagswahlen
aus. „Danach werden wir sehr viel mehr Hinweise haben, wie stark der
Rückhalt ist“, meinte Özdemir. „Die Grünen wachsen seit 2005
nachhaltig, aber die Partei hat nach wie vor nicht den Apparat wie
ihn eine Partei benötigt, die deutlich über 15 Prozent liegt. Das
müssen wir nachhaltig entwickeln.“

Angesichts der neuen CDU-Festlegung auf einen schnellen
Atomausstieg hält es Özdemir für möglich, mit der Union wieder
prinzipiell auch Bündnisgespräche zu führen. Er betonte aber: „Wenn
die CDU sich mit den Umweltverbänden und mit uns gemeinsam auf einen
schnelleren Atomausstieg einlässt, dann ist ein Hindernis für
Gespräche aus dem Weg geräumt. Aber der Atomausstieg allein reicht
nicht. Die Union müsste sich auf vielen anderen Feldern
modernisieren, vor allem in der Bildungs-, Wirtschafts- und
Europapolitik.“

Der FDP riet der Grünen-Bundesvorsitzende, sich für einen
glaubwürdigen Neustart auch den Bundesaußenminister Guido Westerwelle
vorzuknüpfen. „Die FDP hat im Auswärtigen Amt einen Minister sitzen,
der dort zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt hat, als ob er
wegen seiner außenpolitischen Kompetenz dort sitzen würde. Aber an
den traut man sich offensichtlich nicht ran“, meinte Özdemir.

Mit einem Personalgeschacher, das sich im Kreis drehe, komme die
FDP bestimmt nicht aus der Krise. „Die Krise der FDP ist auch eine
inhaltliche Krise. Die FDP müsste sich neu erfinden“ und die
Grundfrage beantworten, wozu man heute noch die FDP als Partei
überhaupt brauche. „Auf diese Frage hat weder Herr Rösler noch die
anderen neuen und alten Führungsleute in der FDP eine überzeugende
Antwort.“ Er freue sich aber „über jeden Politiker, der freundlich
ist und der seine gute Kinderstube nicht vergisst“, meinte Özdemir
mit Blick auf Philipp Rösler. „Aber ob das allein die FDP retten
wird, bezweifle ich.“

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