Die Bundesregierung hat ihre skeptische Haltung
gegenüber einem nach derzeitigem Wissensstand eher riskanten Erfolg
neuen Anlauf für ein NPD-Verbot jetzt auch aktenkundig festgehalten.
Gleichzeitig will man aber, wie die „Leipziger Volkszeitung“
(Sonnabend-Ausgabe) unter Berufung auf ihr vorliegende teils
vertrauliche, teils geheime Papiere berichtet, trotz einer als
„risikoreich“ eingestuften Argumentationsgrundlage einem zu
erwartenden Mehrheitsbeschluss der Ministerpräsidenten (nur
Niedersachsen und Hessen sind dagegen) im Dezember nicht offen
widersprechen. Man würde sich „neutral“ verhalten, hieß es.
Eigentlich sei man für eine „Verbesserung der vorliegenden
Materiallage“. Wegen der nahen Wahl könnte dies eine Verschiebung auf
die Zeit nach 2013 bedeuten. Darauf lassen auch Einladungsschreiben
des Kanzleramtes schließen, die nicht mehr den finalen Charakter des
Verbotsantrages festhalten. Für Vorbesprechungen für die
Ministerpräsidentenkonferenz am 6. Dezember hat das Kanzleramt
schriftlich gebeten, „dass das Thema ,mögliches NPD-Verbotsverfahren–
nun mit dem geänderten Titel ,Stand eines möglichen
Verbotsverfahrens– gemeldet“ werde. In einem geheimen
Argumentationspapier der Innenminister wird auf 118 Textseiten (plus
Personal- und Organisationsregister) das unmittelbare Risiko für die
Demokratie durch das NPD-Treiben nur ansatzweise gestützt. Belegt mit
meist auf ostdeutschen Quellen und Aussagen beruhenden
NPD-Festlegungen werden etwa auf 17 Seiten Belege zur Gewalt als
Mittel des NPD-Kampfes angeführt. Es geht um teils widerliche aber
nicht neue Aussagen („abfackeln bis aufs Blut“, „Tod und
Vernichtung“, „Maximalschaden für das bestehende System“). Das Modell
der Waffen-SS wird als Grundlage für die zukünftige Gestaltung
Europas beschrieben, aber auch die banale Tatsache, dass Deutschland
immer älter und immer häufiger zum Zielort für Zuwanderung werde. Die
Innenminister haben aber nur ganz vereinzelte Verbindungen zum
NSU-Mordterror finden können. Die NSU-Täter könnten danach „in ihrer
Not“ kein anderes Mittel als Mord gewusst haben, da das Handeln des
Staates „Terror von unten produzieren“ müsse, wird ein parteifreier
NPD-Kandidat zur Wahl in Sachsen-Anhalt exemplarisch zitiert.
Ausführlich wird auf den gegenüber dem Bundesverfassungsgericht noch
zurückhaltenderen Kurs des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR) verwiesen. Auf Seite 114 heißt es: „Nach der
Rechtssprechung des EGMR ist ein Eingriff nur dann in einer
demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn er einem dringenden
sozialen Bedürfnis entspricht und in einem angemessenen Verhältnis zu
dem verfolgten Ziel steht.“ Gleichzeitig wird aber auf den
zurückgehenden Grad des Widerhalls der NPD und auf wachsende
Geldsorgen in der Szene verwiesen. Zudem habe der EMRK „noch nie über
ein Verbot mit einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden“.
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