Mediengipfel am Arlberg: Deutschland muss Führungsrolle in Europa einnehmen

Am Freitagabend stand beim 5. Mediengipfel am Arlberg der
traditionelle Diskussionsabend am Rüfikopf auf dem Programm. Dabei
wurde die Frage „Ende oder Wende – Zerbricht Europa?“ von einem
internationalen Podium unter der Leitung von ARD-Korrespondentin
Susanne Glass erörtert. Die versammelten Experten, darunter Ökonom
Stephan Schulmeister und der führende deutsche Politologe und
Regierungsberater Werner Weidenfeld, waren sich einig: Die kommenden
Wochen werden zur Bewährungsprobe für das vereinte Europa.

Die Diskussion am Rüfikopf markiert den traditionellen Höhepunkt
des Mediengipfels am Arlberg. Im fünften Jahr des erfolgreichen
Veranstaltungsformats stand die aktuelle Frage „Ende oder Wende –
Zerbricht Europa?“ im Mittelpunkt. Am Podium fand sich eine ebenso
hochkarätige wie internationale Runde namhafter Experten ein. Zum
Auftakt bot Christian Moser, Geschäftsführer der MEDIA CONSULT und
ehemaliger Sendungsverantwortliche der „Zeit im Bild“, einen
unkonventionellen Prolog in Märchenform dar, der Europas Werdegang
vom römischen Imperium bis in die Moderne auf kurzweilige und
pointierte Weise skizzierte. Im Folgenden kam die Leichtigkeit jedoch
abhanden, als die schwere Krise, in der sich das vereinte Europa
derzeit befindet, thematisiert wurde.

Experten üben sich in Schuldzuweisungen

Das Podium der diesjährigen Diskussion am Rüfikopf wartete mit
einem internationalen Expertenreigen auf. Ebenso vielfältig, wie die
Diskutanten, waren auch die Einschätzungen zur aktuellen Krise in
Europa: Während Ökonom Stephan Schulmeister den europäischen
Politikern die Rute ins Fenster stellte und sie zum „sofortigen
Umdenken“ aufforderte, um die seiner Meinung nach bedrohliche
Schuldensituation in den Griff zu bekommen, spielte der ehemalige
EU-Kommissar und Politikexperte Franz Fischler den Ball zurück an den
Wirtschaftswissenschafter: „Die Ökonomen legen der Politik keine
brauchbaren Instrumente zur Bewältigung der aktuellen Krise bereit.“
Schulmeister hält die Situation für ernst und zeigt sich besorgt über
die Vorgehensweise der politisch Verantwortlichen: „Österreichs
Schuldenbremse ist Ausdruck dieser Ahnungslosigkeit. Professor XY
sorgt sich öffentlich um die Finanzen Österreichs. Die Regierung hört
das über die Medien und denkt über die Verankerung einer
Schuldenbremse in der Verfassung nach. Die Märkte hören wiederum
davon, dass Österreich offensichtlich Schuldenprobleme hat und werden
nervös. Mit dem Ergebnis, dass die Zinsen steigen. Was wirklich
passiert, weiß aber niemand.“ Wieder war es der ehemalige Politiker
Franz Fischler, der Schulmeister widersprach: „Offenkundig reagieren
die Wirtschaftswissenschafter angesichts der Krise, als ob sie noch
nie etwas von Makroökonomie gehört hätten.“

Deutschland soll Europa aus der Krise führen

Beim Thema „Krise in Europa“ durfte die internationale Perspektive
nicht fehlen. Mit Werner Weidenfeld war ein echter Insider am Podium,
der tiefe Einblicke in das Nähkästchen eines Politikberaters
erlaubte. Weidenfeld, der als Direktor des Centrum für angewandte
Politikforschung in München (CAP) fungiert und zahlreiche europäische
Spitzenpolitiker berät, nannte den kommenden Montag als Schicksalstag
für Europa, wenn sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy im
Elysee-Palast in Paris treffen: „Jetzt werden sie das erledigen, was
in Maastricht nicht gemacht wurde. Das wird das ganze Machtmosaik in
Europa durcheinander bringen.“ Mehr war ihm dazu zwar nicht zu
entlocken, aber er prognostizierte, dass das große Zukunftsthema in
Europa die Frage nach der Legitimation sei, so der
Politikwissenschaftler: „Was Angela Merkel und all die anderen
Europapolitiker verabsäumen, ist die Bevölkerung über das, was sie
tun, zu informieren. Sie müssen erklären, was sie mit ihrer Politik
tun. –Smart-Power– ist der Schlüssel dazu. Die Fähigkeit, zu erklären
und zu deuten. Im Moment kann das leider niemand in der Politik,
diese komplexen Prozesse vereinfacht zu erklären.“ Es gebe
dramatischen Nachholbedarf bei der demokratischen Legitimation und
das werde Europa in den kommenden Jahren beschäftigen.

Trotz diesem Manko ist Weidenfeld der Meinung, dass nur
Deutschland die Möglichkeiten hat, Europa aus dieser Krise zu führen.
Diese Einschätzung teilt auch der Osteuropa-Korrespondent des
„Handelsblatt“, Stefan Menzel. Er sieht Deutschland in der Pflicht,
die Führungsrolle zu übernehmen: „In den nächsten Wochen wird sich
entscheiden, ob der Euro platzt oder nicht. Wir werden eine Form von
europäischer Solidarität brauchen, damit es Italien und andere
schaffen. Deutschland und Frankreich werden ihr Backup bieten
müssen.“ Allerdings befürchtet er, dass Europa einen Leader
Deutschland nicht akzeptieren wird. EU-Experte Fischler nennt
ebenfalls Deutschland als Zukunftshoffnung und mahnt
Fingerspitzengefühl bei der Erfüllung dieser Rolle ein: „Egal ob in
Rat oder Kommission, überall wird von Deutschland und Merkel die
Führungsrolle in der aktuellen Krise erwartet. Niemand setzt auf
Frankreich. Doch es ist ein Problem der Geschichte, denn sobald
Deutschland die Führung übernimmt hagelt es Kritik dafür. Es bedarf
nun einer gewissen Klugheit, um diese Rolle anzunehmen und
inhaltliche Leadership-Qualitäten unter Beweis zu stellen, ohne sich
als großen Führer zu präsentieren.“

Sorgenvoller Blick in die Zukunft Europas

Auf die Frage, wie sie persönlich die nächste Zukunft Europas
einschätzen, reagierten die versammelten Experten mit unverhohlener
Sorge. Der Leiter der ORF-Korrespondentenbüros Roland Adrowitzer
outete sich als erklärter Fan der EU und zugleich als tief
verunsichert: „Ich beobachte mit großer Sorge, dass der Hass und die
Ablehnung gegen Europa immer mehr steigt. Das demokratische Eis auf
dem wir uns bewegen ist nicht sehr dick.“ Dieselben Bedenken hegt der
niederländische Wirtschaftsjournalist Paul Laseur, der den Aufstieg
der Populisten in seiner Heimat als beklemmend erlebt: „In Holland
haben wir mit politischen Hardlinern wie Geert Wilders zu kämpfen,
die den Euro und Europa dezidiert ablehnen.“ Seine Angst liege darin
begründet, dass der Populismus mit Simplifikation gewinnt und dadurch
die Menschen trennt. Auch der Regierungschef von Liechtenstein, Klaus
Tschütscher, warnt davor, angesichts der Krise den
Rattenfänger-Methoden der Demagogen aufzusitzen: „Meine Sorge ist es,
dass mit der Angst Politik gemacht wird. Die Bevölkerung erträgt
ziemlich viel Wahrheit aber keine politischen Lügen mehr.“

Zusammenfassend forderte Ökonom Schulmeister ein Ende der
politischen Zurückhaltung, um der aktuellen Krise entsprechend
begegnen zu können: „Leadership heißt auch, das Recht extensiv
auszulegen. Denn wenn es brennt, hole ich auch keine wasserrechtliche
Bewilligung ein.“ Politikberater Weidenfeld, der einen direkten
Einblick in die Machtzentren Europas hat, äußerte sich
beschwichtigend: „Ich habe keine Angst, aber viele Sorgen.“

Initiiert wurde der Mediengipfel vor fünf Jahren von der
Kommunikationsagentur pro.media, seither wir die Veranstaltung in
enger Kooperation mit der Lech Zürs Tourismus GmbH organisiert. Im
Rahmen des Mediengipfels am Arlberg treffen sich alljährlich führende
Auslandskorrespondenten internationaler Medien mit österreichischen
Medienmachern, um aus unterschiedlichsten Länderperspektiven aktuelle
Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Medien sowie deren
gesellschaftspolitische Auswirkungen zu analysieren.

Unterstützt wird das Treffen der Auslandskorrespondenten vom
Verband der Auslandspresse in Österreich und Deutschland, Swarovski
Tourism Service GmbH, Intersky, Mercedes Benz sowie den
Medienpartnern Der Standard, APA – Austria Presse Agentur, ORF,
Vorarlberger Nachrichten, NZZ – Neue Zürcher Zeitung, news aktuell
sowie dem Presseclub Concordia.

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