Männerwirtschaft
Darf ich auch mal mit dem Bagger spielen?“ Stellt ein Mädchen
Jungs diese Fragen, dann sagen die Knirpse nicht „Aber gern, liebe
Anna“ und schieben die gelbe Monsterraupe rüber. Nein, sie sagen „Hau
ab, mit dem spielen wir!“ Eine ähnliche Erfahrung haben Ursula von
der Leyen und Kristina Schröder gerade mit den deutschen
Wirtschaftsbossen gemacht. Nur haben diese Jungs, weil die strenge EU
bereits mit dem Finger droht, maulend versprechen müssen, die Mädchen
irgendwann ein kleines bisschen mitspielen zu lassen. Es wird höchste
Zeit, dass die Erzieherin durchgreift. Seit Jahren führt Deutschland
in der Frauen- und Familienpolitik eine geradezu lächerliche Debatte.
Ob Elternzeit, Kinderbetreuung oder eben Quote: Wieder und wieder
wird aus den im vergangenen Jahrhundert ausgehobenen Gräben auf die
Gegenseite gefeuert, polemisiert, Kinder werden gegen Karriere
ausgespielt, beruflich erfolgreiche Frauen als machtgierige, meist
kinderlose Mannweiber verunglimpft. Am Ende steht die Frage: Frauen,
wollt Ihr wirklich so sein? Doch fragen wir mal nicht weniger
polemisch: Wollt Ihr so sein wie die zackige Bundesarbeitsministern,
die einst gegen viele Widerstände das Elterngeld durchgeboxt hat,
oder wie die brave Bundesfamilienministerin, die den DAX-Unternehmen
artig – aber erfolglos – einen „Flexi-Quote“ genannten,
vorauseilenden Kompromiss unterbreitet hat? Es ist doch
symptomatisch, wenn die unterschiedlichen Positionen der
Politikerinnen als „Zickenkrieg“ diffamiert werden. Von der Leyen und
Schröder beweisen nur: Sind erst einmal mehrere Frauen an den Hebeln
der Macht, dann zeigt sich, dass sie selbstverständlich nicht nur als
Frauen, sondern als Persönlichkeiten mit durchaus divergierenden
Ansichten handeln. Die deutsche Wirtschaft weiß längst, dass es ohne
Frauen nicht mehr geht. Warum sonst versucht sie seit Jahren,
Schülerinnen beim „Girls– Day“ für technische Berufe zu erwärmen? Der
Fachkräftemangel erreicht gerade den Mittelstand. Wie kann ein
Unternehmen noch meinen, auf die teils besser qualifizierten Schul-
und Hochschulabsolventinnen verzichten zu können? Um sie zu gewinnen,
muss man jedoch mehr tun, als sie mal durchs Mikroskop schauen zu
lassen. Warum sollte eine Frau einen Arbeitgeber wählen, der
signalisiert, dass für sie die mittlere Führungsebene Endstation ist,
dass sie die „gläserne Decke“ nie durchstoßen wird? Nur Frauen an der
Unternehmensspitze liefern den schlagenden Beweis, dass diese
Durchlässigkeit gegeben ist. Erst wenn Frauen in den obersten Etagen
ein alltäglicher Anblick sind, werden sich die alten Rollen- und
Denkmuster allmählich aus den Köpfen verabschieden. Dass die Frau
allein für die drei K–s – Kinder, Küche, Kirche – zuständig war, ist
ja noch gar nicht so lange her. Bis 1977 galt die gesetzliche
Regelung, dass Frauen nur dann berechtigt sind, erwerbstätig zu sein,
„soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“
Das ist passé, jetzt brauchen wir Menschen, die dafür sorgen, dass
ein anspruchsvoller Job und eine Familie sich nicht gegenseitig
ausschließen. Wer könnte das besser als Top-Managerinnen, die nicht
nur Excel-Tabellen, sondern auch die Abholzeiten des Kindergartens im
Kopf haben? Sie können viel dazu beitragen, dass Frauen in jeder
Hinsicht – auch bei der Bezahlung – gleiche Chancen eingeräumt
werden. Teilen – das fällt nicht nur Kindern schwer. Erst im Alter
von sieben, acht Jahren entwickelt sich beim Menschen der Sinn für
Gerechtigkeit. Er entsteht durch positive Vorbilder, Ermahnungen,
auch durch Zwang. Seit zehn Jahren verspricht die deutsche
Wirtschaft, Frauen an der Macht in den Unternehmen zu beteiligen.
Geschehen ist nichts. Ohne Quote wird sich nichts bewegen. Die
Wirtschaft tut gut daran, selbst initiativ zu werden. Die EU will
nicht mehr lange zuschauen. Das Angebot der Freiwilligkeit gilt noch
bis 2012. Danach drohen Strafen – und der Bagger ist weg.
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