Kalter Kaffee macht schön: Frei nach dieser
Volksweisheit hat die CSU gestern ihr Steuersenkungsgebräu neu
aufgerührt, das sie zuletzt im Januar auf ihrer Klausur in Wildbad
Kreuth lautstark anpries. Wenn Parteichef Horst Seehofer die große
Schwester CDU ärgern oder den Junior FDP piesacken will, greift er
gerne zum Fläschchen mit dem Mehr-Netto-vom-Brutto-Zaubertrank. Und
damit nicht genug. Diesmal hat er für das Treffen mit den
Koalitionsspitzen auch noch das Betreuungsgeld und die Pkw-Maut in
den Forderungskatalog gepackt. Das Gipfeltreffen am Freitag steht
unter dem Motto: Wer viel wünscht, bekommt auch viel. Angesichts der
hohen Steuern und Abgaben, die Arbeitnehmer hierzulande zahlen, ist
es zunächst nichts Verwerfliches, über Entlastungen nachzudenken.
Viele Beschäftigte ärgern sich regelmäßig beim Blick auf ihren
Gehaltszettel darüber, dass vom Brutto gerade mal die Hälfte
übrigbleibt. Wer jeden zweiten Euro an den Fiskus und an die
Sozialkassen überweist, wundert sich schon lange darüber, dass der
Staat gleichzeitig die Vermögen der Millionäre schont. Doch wer wie
Seehofer Steuersenkungen verspricht, muss auch sagen, wie er sie
finanzieren will. Hier schweigt sich die CSU aus. Außerdem verkauft
sie Entlastungen, die je nach Einkommen und Familienstand zwischen 70
und ein paar hundert Euro im Jahr lägen, als großen Wurf. Bei vielen
Beschäftigten würde das aber gerade einmal den Zusatzbeitrag für die
Krankenkasse ausgleichen. Falls Seehofer mit seinem Steuerreförmchen
tatsächlich bei Kanzlerin Angela Merkel durchkommen sollte, würde es
höchstwahrscheinlich auf Pump erkauft. Das wäre angesichts der
Rekordverschuldung des Staates unseriös. Auch der zweite Punkt im
Wünsch-Dir-Was-Spiel der CSU steht unter Finanzierungsvorbehalt. Weil
der Bund knapp bei Kasse ist, will Familienministerin Kristina
Schröder das Betreuungsgeld gegen Seehofers Widerstand nur ein Jahr
auszahlen statt zwei. Bei einer monatlichen Prämie von 150 Euro für
Familien, die ihre Kinder zuhause erziehen, kommt da immer noch viel
Geld zusammen – dafür, dass die CSU ihr Familienbild aus den 50er
Jahren konservieren kann. So schön das Betreuungsgeld für die
Empfänger sein mag, sinnvoller wäre es in Kindergärten und mehr
Angeboten für Ganztagsbetreuung angelegt. Seehofers dritter Wunsch,
den er regelmäßig von Verkehrsminister Peter Ramsauer vortragen
lässt, ist eine dreiste Mogelpackung. Wider besseres Wissen verkauft
die CSU ihr Modell einer Pkw-Maut als gerechte Straßengebühr, weil
angeblich nur Ausländer abkassiert würden, deutsche Autofahrer aber
nichts bezahlen sollen. Genau dies würde jedoch gegen EU-Recht
verstoßen. Ramsauers Maut-Mantra ist der Versuch der Volksverdummung
und der Vorstoß, die Autobahngebühr für alle einzuführen. Wer glaubt,
dass damit Schlaglöcher geflickt werden, glaubt auch, dass der
Solidarzuschlag noch für den Aufbau Ost eingesetzt wird. Besonders
ärgerlich ist es, dass genau derselbe Minister trotz Bedenken der
meisten Verkehrsexperten auch noch die Riesen-Lastwagen auf alle
Straßen bringen will. Damit gehen Autobahnen und Brücken dann noch
schneller kaputt. Mögen andere Parteien gebannt auf die Schuldenkrise
starren, über teure Rettungspakete sinnieren oder eine Reichensteuer
fordern: Seehofer gibt im Kampf um Stimmen lieber den Volkstribun.
Schon zwei Jahre bevor überhaupt gewählt wird, verspricht die CSU den
Leuten das Blaue vom Himmel. Das werden zwei schwere Jahre für die
CDU, die FDP – und die Bürger.
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