Die Würfel, ob Deutschland künftig Schwarz-Rot
oder vielleicht doch Schwarz-Grün regiert wird, fallen jetzt.
Zu den Grundregeln beim Pokern gehört, das eigene – gute oder
schlechte – Blatt ohne sichtbare Regung in der Hand zu behalten. Wer
zu viel und zu schnell Preis gibt, was er hat, ist auf Dauer nicht
erfolgreich. Nun sind Koalitionsgespräche, oder auch nur
Sondierungen, keine Pokerrunden. Doch ein wenig von den Grundregeln
des Kartenspiels beherrschen auch die Koalitionäre in spe, die sich
heute und morgen am Verhandlungstisch wieder sehen. Das gilt für alle
Beteiligten. Für die Schwarzen, die zwar bei der Wahl vor drei
Wochen, „Mutti“ Merkel sei dank, ordentlich zulegten, aber dennoch
einen Partner zum Regieren brauchen. Für die Roten von der SPD, die
mit einem unglücklichen Kandidaten, der fast in der Versenkung
verschwunden ist, nur mäßig besser abschnitten als vor vier Jahren.
Für die Grünen, die nach Wahldesaster mit alter abgehalfteter und
neuer Führung zugleich recht kopflos antreten. Das Pokern hat längst
begonnen. Auffällig im Lager von CDU und CSU ist seit Donnerstag, wie
flott den Merkel, Seehofer und Co. Schwarz-Grün über die Lippen geht.
Die Ökopartei, die zuletzt mit kräftigen Steuererhöhungen, platten
Ernährungsvorschriften oder dem kriminellen Sexualleben einiger
altvorderer Mitglieder die Wähler verschreckte, scheint plötzlich
wieder salonfähig. Selbst der CSU-Chef, der eigentlich schon beim
Gedanken an die Grünen und ihren linken Vorturner Jürgen Trittin
Pickel bekommen müsste, hat Kreide gefressen und lobt die
Professionalität der Ökopartei. Dass der neue aus Bayern kommende
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter Fehler seiner Partei einräumt,
gehört offenbar auch zum Koalitionspoker. Die Union hält das grüne
Blatt noch fest in der Hand, wohl auch um den roten Mitspielern zu
si-gnalisieren: Wir könnten auch anders. Schaut man auf die
inhaltlichen schwarz-grünen Schnittpunkte, wird jedoch rasch klar,
ein Regierungsbündnis aus Union und der verbürgerlichten Ökopartei
ist zu schwachbrüstig. Könnte man sich beim Mindestlohn vielleicht
noch verständigen, käme es in der Industrie- und Umweltpolitik ganz
dick. Und in der Flüchtlingspolitik liegen Welten zwischen einer
Claudia Roth und einem Hans-Peter Friedrich. Dem CSU-Innenminister
würden die Grünen nur bei völliger Aufgabe ihrer Selbstachtung eine
zweite Amtszeit einräumen. Freilich ist es auch noch etwas zu früh,
bereits jetzt alles auf die schwarz-rote Karte zu setzen. Die großen
Hürden liegen noch vor Union und SPD. Auch wenn man sich beim
Mindestlohn wohl auf einen Formelkompromiss wird retten können.
Selbst bei der Energiewende liegen die traditionell Kohle- und
Industrie-freundliche SPD und die Union nicht meilenweit getrennt.
Spannender werden da schon die Finanz- und Haushaltspolitik. Die
Sozialdemokraten haben zumindest bereits etwas Beinfreiheit bei den
eigentlich verlangten Steuererhöhungen signalisiert. Sollte der Bund
auch ohne höheren Spitzensteuersatz genügend Geld einnehmen, um
bessere Bildung, höhere Mütterrenten, mehr Kita-Plätze und sanierte
Brücken und dergleichen mehr zu bezahlen, wäre es auch recht. Selbst
beim heiß umkämpften Betreuungsgeld, dem Lieblingskind der CSU,
scheint eine Brücke denkbar. Entweder man gibt die Sozialleistung in
die Hände der Länder oder vereinbart eine Überprüfung in zwei Jahren.
So oder so müssen diese Woche die Karten insoweit aufgedeckt werden,
dass klar wird, wer mit wem im Bund künftig zusammenspielen will.
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