Mittelbayerische Zeitung: Moderne Wegelagerer
Leitartikel zur Pkw-Maut

Peter Ramsauer ist – gemessen an den
Finanzmitteln seiner Kabinettskollegen – eigentlich ein schwerreicher
Mann: Im kommenden Jahr kann sein Ministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung fast 26 Milliarden Euro ausgeben – viermal soviel
wie die Bundesfamilienministerin. Und immer noch doppelt soviel wie
die Ministerin für Bildung und Forschung. Dennoch kommt der
CSU-Politiker mit seinem Etat hinten und vorne nicht aus, weil er es
versäumte, beim Finanzminister einen Nachschlag zu fordern. Da
verwundert es nicht, dass Ramsauer seine Beamten bittet, sich fleißig
den Kopf über neue Einnahmequellen zu zerbrechen. Herausgekommen ist
die Idee einer Pkw-Maut, die so regelmäßig vor der Autofahrernation
auftaucht, wie die Staus an den Osterfeiertagen. Es mag zunächst nur
ein neuer Versuchsballon aus dem Verkehrsministerium gewesen sein, um
den Unmut in der Republik über eine neue Abgabe zu testen. Doch
steter Tropfen höhlt den Stein. Schon seit Jahren wird die
Autobahngebühr immer wieder ins Spiel gebracht. Vor allem prominente
CSU-Politiker wie Horst Seehofer schwärmen von der heilsamen Wirkung
auf unser im wahrsten Wortsinn löchriges Straßennetz. Und gerne
zeigen die Maut-Befürworter im Freistaat mit dem Finger auf die
Ausländer, die freie Fahrt auf den deutschen Autobahnen genießen,
während die Bundesbürger in Österreich, Italien, etc. zur Kasse
gebeten werden. Natürlich würden im Transitland Bayern viele Beifall
klatschen, wenn auch die Gäste per Vignette zahlen müssten. Doch die
Claqueure sollten bedenken, dass der Obolus auch bei ihnen fällig
würde. Über Sinn und Unsinn einer Maut lässt sich trefflich streiten.
Wer mit dem Auto quer durch Europa fährt, wird feststellen, dass fast
überall Gebühren kassiert werden. Deutschland ist eine der letzten
mautfreien Inseln. Doch in unseren Nachbarländern sind die meisten
Autobahnen privat gebaut, was auch unangenehme Nebenwirkungen hat.
Auf vielen vorbildlich gewarteten Strecken in Frankreich oder Italien
kann man zwar bewundern, in welch gutem Zustand die deutschen Straßen
früher einmal waren. Aber man erfährt auch die Lenkungswirkung der
Pkw-Gebühr: Manche Autobahnen wirken außerhalb der Ferienzeit wie am
autofreien Sonntag, weil sich die Maut-Flüchtlinge auf den
Landstraßen durch die Dörfer wälzen. Wer einen Wegezoll einführen
will, kann nur dann Akzeptanz erreichen, wenn das System transparent
und gerecht ist. Ramsauers Vignettenpläne würden zwar das Geld in die
Kassen spülen, das er für den Straßenausbau braucht. Aber sie sind
ungerecht, weil sie weder zwischen Viel- und Wenigfahrern noch
zwischen sparsamen Autos und Spritfressern unterscheiden. Also käme
noch das elektronische System in Betracht, das zur Erhebung der
Lkw-Maut eingesetzt wird. Das erfasst zwar exakt jeden gefahrenen
Kilometer, birgt aber große Datenschutzbedenken. Denn von jedem
Autofahrer ließen sich dann exakte Bewegungsprofile erstellen. Eine
Klageflut wäre programmiert. Am ehrlichsten, unbürokratischsten und
in punkto Energiewende glaubwürdigsten wäre eine höhere Spritsteuer,
weil sie den tatsächlichen Verbrauch belastet. Aber dafür fehlt der
Regierung angesichts der Rekordpreise an den Zapfsäulen der Mut.
Ramsauers Phantasie erschöpft sich darin, wie er aus dem Steuer- und
Abgabenbürger noch mehr Geld herausmahlen kann. Der gelernte
Müllermeister könnte aber auch – wie das andere Minister schon öfter
mit Erfolg getan haben – mit größerer Verve um mehr Geld aus dem
Bundeshaushalt kämpfen. Gemessen an den rund 50 Milliarden Euro, die
der Staat im Verkehrsbereich an Mineralölsteuer, Abgaben und Lkw-Maut
kassiert, nimmt sich der Etat seines Ressorts geradezu bescheiden
aus. Würde er mehr als nur jeden zweiten Euro herausschlagen, wäre
auch ohne Maut genug Geld zum Flicken von Schlaglochpisten da.

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