Zu allem Ja und Amen sagen? Nicht mit dem
Europaparlament. Die Abgeordneten werden den EU-Regierungschefs heute
zeigen, dass sie mehr sind als ein bloßes Abnick-Parlament. Es ist
gut, dass die Kammer ihre Rechte, die der Lissabon-Vertrag einräumt,
wahrnimmt und sogar als Drohmittel nutzt. Denn der im Februar
beschlossene Spar-Finanzrahmen für die kommenden sieben Jahre wird
die EU nicht fit für die Zukunft machen. Zwar liegt Sparen im Trend
der Zeit. Gefährlich wird es aber, wenn dies durch Schönen der
Bilanzen geschieht. Der EU droht ein milliardenschweres Defizit.
Europa braucht endlich eine eigene Einnahmequelle. Eigentlich hätte
dieses Mal ja alles anders werden sollen. Fördergelder wollte man
nicht mehr mit der Gießkanne verteilen, Rabatte sollten zur
Disposition stehen und zukunftsträchtige Bereiche wollte man
verstärkt fördern. Doch worauf sich die 27 Staats- und
Regierungschefs Anfang Februar tatsächlich geeinigt haben, hat mit
den guten Vorsätzen nur wenig gemein. Das meiste Geld fließt auch
künftig in die gemeinsame Agrarpolitik sowie in ärmere Regionen.
Damit fehlen Mittel für ein modernes Budget, das Wachstum und Jobs
generiert. Eifersüchtig haben die Gipfelteilnehmer darauf geachtet,
dass ihre Pfründe gewahrt bleiben. Das spiegelt sich auch bei den
vereinbarten Rabatten wider. Der Kompromiss strotzt vor neuen
Extrawürsten. Aus 38 Extra-Zahlungen und Rabatten sollen ab dem
kommenden Jahr 52 werden. Wie diese im Hinterzimmer ausgehandelt
wurden, lässt sich nur erahnen. Man kann den Zorn der Europapolitiker
über die mangelnde Transparenz verstehen. Und es geht noch schlimmer:
Die Regierungschefs haben für den Abschluss ihres Sparkompromisses
auf Buchungstricks zurückgegriffen. Das ist inakzeptabel. Angela
Merkel und Co. haben vorgemacht, wie man Bilanzen schönt. Denn
zwischen dem, was man vollmundig ankündigt und dem, was finanziert
werden soll, klafft eine Lücke von über 50 Milliarden Euro. Die
Regierungschefs hegen die Hoffnung, dass nicht alle Gelder abgerufen
werden oder gar manche Projekte nicht umsetzbar sind. Dabei müssten
es die Regierungschefs eigentlich besser wissen. Schon in den
vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass diese Art der Kalkulation
nicht funktioniert. Die Folgen sind bekannt: Die Haushalte der
vergangenen Jahre waren chronisch unterfinanziert, aus dem letzten
Jahr schleppt die EU sogar noch ein Defizit von 17 Milliarden Euro
mit sich herum. Die Rechnung für die jetzige Fehlbuchung wird nicht
lange auf sich warten lassen. So kann es nicht weitergehen. Europa
braucht ein verlässliches, aber auch flexibles Budget. Ob
Verbraucherthemen, Eurokrise oder Außenpolitik: Die EU bekommt aus
den Hauptstädten stetig neue Aufgaben zugewiesen. Um auf diese
Herausforderungen reagieren zu können, muss sie die Möglichkeit
haben, kurzfristig Gelder in die Hand zu nehmen. Ein starres
Sieben-Jahre-Korsett kann dabei ein echtes Hindernis sein. Es ist
deshalb richtig, dass die Abgeordneten auf eine Reform der
Ausgabenstruktur drängen. Die Diskussion um Eigenmittel wird in den
kommenden Wochen wieder an Fahrt aufnehmen. Gut so, denn Europa droht
sich durch die Streiterei um den Finanzrahmen selbst zu blockieren.
Spätestens 2020 muss die EU über eigene Einnahmen verfügen. Mit der
eben beschlossenen Finanztransaktionssteuer bietet sich eine
sinnvolle Möglichkeit. Sobald alle Mitgliedsstaaten die Steuer in
nationales Recht umgesetzt haben, könnten deren Erträge in den
EU-Haushalt fließen. Es wäre das Ende des Finanz-Basars. Auf die
Verwirklichung dieses Traums müssen die Abgeordneten noch lange
warten.
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