Immer wieder schön anzusehen, wie ein
Prozedere, das sich genauso gut mit einem Hut und ein paar hastig
zusammengefalteten Zettelchen erledigen ließe, mit großem Pomp, viel
Tamtam und heiligem Ernst zelebriert wird. Erst muss die
sagenumwobene Koeffizientenliste der Europäischen Fußball-Union
(Uefa) zu Rate gezogen werden, bevor hoch dekorierte Altmeister des
Fachs in die Töpfe greifen und dabei bisweilen so wirken, als würden
sie an der Last der Verantwortung in dieser historischen Stunde
schier zerbrechen. Was am Freitagabend in Kiew aus dem Hut, pardon:
Lostopf gezaubert wurde, kann Bundestrainer Joachim Löw und seiner
Entourage nicht gefallen. Die sportliche Herausforderung ist jedoch
überschaubar. Niederlande, Portugal, Dänemark: Das klingt nach einer
starken, unbequemen Gruppe. Aber die Qualität und das
Selbstbewusstsein der deutschen Nationalmannschaft sind inzwischen so
gewachsen, dass ein Einzug ins Viertelfinale jederzeit drin sein
sollte. Uli Hoeneß hatte es im Vorfeld treffend so formuliert: „Es
ist nur die Frage, wer gegen Deutschland ins Endspiel kommt. Deswegen
ist es wurscht, wer sonst noch in der Gruppe rumturnt.“ Sehr
wahrscheinlich liegt das Los Deutschland unseren Gegnern schwerer im
Magen als umgekehrt. Nein, das Problem ist ein anderes, und erneut
hat es sich der DFB selbst eingebrockt. Wie bei der EM 2008 in der
Schweiz und Österreich logiert seine Auswahl fernab ihrer
Vorrunden-Spielorte, weil sich Löw und Teammanager Oliver Bierhoff
frühzeitig auf ein EURO-Quartier an der Ostsee festgelegt haben. Die
Trips in die Ukraine bringen Reisestrapazen mit sich. Das hatte sich
bereits 2008 erwiesen, als der DFB-Tross mehrfach vom Lago Maggiore
nach Klagenfurt oder Wien jetten musste. Und ein Substanzverlust kann
sich im Laufe eines Turniers rächen. Spannung verspricht die Partie
gegen Holland, und das nicht nur wegen der ausgeprägten Rivalität.
Bei der EM 2008 (1:2 gegen Kroatien) und bei der WM 2010 (0:1 gegen
Serbien) hatte es sich Löws Team zur schlechten Angewohnheit gemacht,
ihr zweites Spiel in den Sand zu setzen und dann vor dem
Gruppen-„Finale“ enorm unter Druck zu stehen.
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