Der Doktor zwischen Sein und Schein
Was für eine Welle der Empörung: Sie rollt mit einer Wucht durchs
Land, als handelte es sich beim mutmaßlichen Doktor der Abkupferei
Karl-Theodor zu Guttenberg um den populärsten Wissenschaftler des
Landes. Das ist er aber nicht.
Für die Bewertung von Deutschlands beliebtestem Politiker,
Verteidigungsminister, Verwalter des drittgrößten Einzeletats des
Bundes und Hoffnungsstern der CSU hat vorrangig die politische
Leistung zu gelten – so welk Guttenbergs akademischer Lorbeer im
Moment auch wirkt. Skandalisiert werden aber der Doktor und sein
Text.
Geht es um Steuer-Milliarden, Deutschlands Sicherheit oder
politischen Stil, genießt dieser Minister in Teilen von
Öffentlichkeit und Medien hingegen eine Unangreifbarkeit von beinah
berlusconianischen Ausmaßen. Erkennbar daran, dass selbst schwere
Schnitzer Guttenberg kaum geschadet haben: Weder sein wankelmütiger
Umgang mit Kommandeuren, die in öffentliche Kritik geraten, noch
seine Stillosigkeit, den Afghanistan-Krieg als TV-Kulisse für die
Selbstdarstellung zu missbrauchen. Ja nicht einmal, dass Guttenberg
der Bundeswehr Sparvorgaben eingebrockt hat, die eine seriöse Reform
behindern.
Da tut sich in Vermittlung und Wahrnehmung von Politik ein
gewaltiges Missverhältnis auf zwischen Sein und Schein, zwischen
Haupt- und Nebensächlichem. Eines, das die Substanz der Demokratie
beschädigt.
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