Neue OZ: Kommentar zu Atomkraft

Das letzte Aufgebot

Tschernobyl war der Inbegriff für den Super-GAU. Bald werden die
Menschen weltweit stattdessen womöglich Fukushima sagen, wenn sie die
größte Katastrophe der zivilen Atomnutzung meinen. Viele Japaner
haben das Riesen-Erdbeben und den gewaltigen Tsunami mit auffallender
Besonnenheit hingenommen. Doch jetzt greift die Angst vor der Wolke
um sich.

Allein die Vorstellung schockiert, die 40-Millionen-Metropole
Tokio könnte von einem Super-GAU getroffen werden. Aber
offensichtlich hat die drittgrößte Wirtschaftsmacht keine Kontrolle
mehr über die Reaktoren im AKW Fukushima. Nur noch 50 Techniker
versuchen, den Albtraum abzuwenden. Sie wirken wie das letzte
Aufgebot einer Nation, die den Kampf gegen die Naturgewalten bereits
verloren hat.

Verständlich, dass sich immer mehr Japaner über eine mangelnde
Informationspolitik ihrer Regierung beklagen. Das Vertrauen in die
Behörden schwindet, weil die Regierung die Gefahr oft kleiner
dargestellt hat, als sie tatsächlich war. Oder haben die
AKW-Betreiber den Ministerpräsidenten zu langsam über die neuesten
Hiobsbotschaften informiert, wie der Regierungschef behauptet?
Womöglich ist die Lage aber so verzweifelt, dass selbst der
Energiekonzern den Überblick verloren hat. Der Einsatz von
Hubschraubern zum Abkühlen der Brennstäbe zeugt von Hilflosigkeit der
Techniker, die lange glaubten, die Atome stets beherrschen zu können.

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