Neue OZ: Kommentar zu Hochspannungsleitungen

Jetzt sind Pioniere gefragt

Per Internetbotschaft lässt die Kanzlerin die Katze aus dem Sack.
Angela Merkels Vorstoß für Hochspannungsleitungen zeigt vor allem
eins: Aus Angst vor einem Scheitern der Energiewende steht die
Regierung derart unter Strom, dass sie beim Ausbau der Trassen
verstärkt Tempo macht. Etwas anderes bleibt Schwarz-Gelb auch nicht
übrig, ansonsten ist der Ausstieg aus der Atomkraft bis 2022 und der
Umbau zu einer Grünen Wirtschaft schon bald Makulatur. Rund 4000
Kilometer bestehende Leitungen müssten dringend aufgerüstet werden,
und, prekärer noch, fast ebenso viele Kilometer sind zusätzlich zu
bauen. Erst dann wäre der Transport etwa für Windenergie vom Meer
gesichert.

Etwa 20 Milliarden Euro wird vermutlich allein der Netzausbau
verschlingen. Das sind zwar lediglich rund fünf Prozent der
Gesamtkosten der Energiewende; gleichwohl ist es ein großer Batzen.
Und es ist zu befürchten, dass davon die Verbraucher das meiste zu
tragen haben. Deren Protest dürfte ebenso gewiss sein wie der
Widerstand der Naturschützer – besonders, seitdem Wirtschaftsminister
Philipp Rösler forsch Stromtrassen in Schutzgebiete verortet hat und
zu diesem Zweck EU-Vorgaben umgehen und Klageoptionen beschränken
will. Sorgen bereiten muss der Koalition, dass nun selbst die Bauern,
immerhin eine wichtige Wählerklientel der Konservativen, auf die
Barrikaden gehen.

Es wird zwar darauf ankommen, Härtefälle auszutarieren. Doch der
Umbruch gelingt nicht zum Nulltarif. Und auch nicht durch
Mammut-Gipfel wie jüngst in Rio. Nur wer praxistauglich handelt,
schafft den Wechsel zum ressourcenschonenden Wirtschaften.
Deutschland muss beweisen, dass es das Zeug zum Pionier hat.

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