Deutsche Strategie gefragt
In Tunesien nahm die Welle ihren Anfang, in Ägypten setzte sie
sich fort. In Libyen wandelte sie sich zum Bürgerkrieg. In Syrien,
dem Jemen und anderen Ländern ist die Lage offen, aber in Bewegung.
Damit ist klar, was noch zu Jahresbeginn kaum jemand vorherzusagen
vermochte: Aus sporadischen Demonstrationen in einer staubigen
Kleinstadt entstand ein breiter Protest, der die ganze Welt bewegt.
Trotz der Bomben auf Libyen, trotz der blutigen Bilder aus dem
Jemen bleibt diese Wandlung positiv. Und sie verändert mehr als die
Staaten selbst, in denen sie stattfindet. Auch der Blick auf die
arabische Welt erneuert sich. Diffuse Islamismus-Ängste weichen
Bildern von Menschen, die Freiheit und Entfaltung wollen, kreativ
sind in ihrem Protest und darüber hinaus ebenso friedlich wie mutig.
Es ist schade, dass der internationale Angriff auf Libyen und mehr
noch Gaddafis Wahnsinn dieses Bild zu trüben drohen. Dabei zeigt es
gerade umgekehrt, wie überfällig der Wandel ist und wie nahe sich
westliche und arabische Bevölkerungen heute in Wirklichkeit sind.
Dass die Proteste anhalten, zwingt nicht nur die örtlichen
Regierungen zur Reaktion, sondern auch die deutsche. Sie wäre gut
beraten, für die nächsten, sich schon abzeichnenden Fälle früh eine
Strategie zu entwickeln, um langes Schweigen wie bei Tunesien, offene
Ratlosigkeit wie bei Ägypten oder krasse Schwenks wie bei Libyen
demnächst zu vermeiden.
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