Neue OZ: Kommentar zu Osnabrücker Oberbürgermeister Boris Pistorius

Rücktrittsforderungen überzogen

Boris Pistorius könnte der erste Spitzenpolitiker Deutschlands
werden, der sich als Minister wegen des Verdachts der Untreue vor
Gericht verantworten muss. Normalerweise führt schon die Einleitung
eines Ermittlungsverfahrens mit diesem Vorwurf durch eine
Staatsanwaltschaft zum sofortigen Rücktritt des Beschuldigten. Doch
beim Prämienskandal um unrechtmäßige Leistungszulagen für
Kommunalbeamte ist alles anders.

Keiner der Beschuldigten oder Mitwisser aus fast allen Parteien
hat sich persönlich bereichert. Die Vorschrift in der
Niedersächsischen Besoldungsverordnung, nach der höchstens 15 Prozent
der Kommunalbeamten Leistungszulagen gewährt werden dürfen, ist
Kokolores. Warum nur ein kleiner Teil der beamteten Staatsdiener für
herausragende Leistungen belohnt werden soll, ist nicht
nachvollziehbar. Eine zügige Gesetzeskorrektur und damit eine
Gleichstellung der Beamten mit den Angestellten ist dringend
notwendig.

Gleichwohl: Auch Oberbürgermeister und Landräte dürfen gegen
Landesverordnungen nicht verstoßen, ohne Konsequenzen befürchten zu
müssen. Die Ermittlungsverfahren dürfen auch deshalb nicht nur mit
einem erhobenen Zeigefinger eingestellt werden. Nur eine öffentliche
Gerichtsverhandlung kann im Prämienskandal eindeutig Klarheit
schaffen über Unrecht, Schuld und Sühne.

Bevor dieser Prozess nicht abgeschlossen ist, sind
Rücktrittsforderungen aber überzogen.

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