Neue OZ: Kommentar zu Parteien / SPD / Sarrazin

Keine gute Figur

Erst hatte die SPD-Spitze sich vor Wut geradezu überschlagen. Nun
darf Querulant Thilo Sarrazin doch Mitglied der Sozialdemokraten
bleiben. Das ist auch gut so. Nicht, weil der frühere Senator und
Bundesbanker vielleicht doch recht hatte. Wesentliche Argumente in
der Erstauflage seines Buches über Deutschland und die Demografie
waren, sind und bleiben Unsinn. Aber eine politische Gruppierung, die
sich als breit aufgestellte Volkspartei versteht, muss die Kraft
haben, jemanden in ihren Reihen zu dulden, der nicht in allen
Belangen auf Linie ist.

Der Fehler im Umgang mit Sarrazin liegt also nicht darin, das
Ausschlussverfahren jetzt im Eilvorgang zu beerdigen. Er fand damals
statt, als namentlich Parteichef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin
Andrea Nahles in vorderster Front gegen den Genossen vorgingen, der
freilich auch eine gewisse Lust an der Provokation empfand. Der Unmut
über Sarrazins Thesen war legitim – ein Scherbengericht über seine
Person muss und sollte daraus aber nicht folgen, wie übrigens in
vergleichbaren Fällen ebenso wenig.

Gabriel und Nahles haben unter dem Strich keine gute Figur
gemacht. Hohn aus anderen Parteien muss dennoch ins Leere gehen. Sie
alle haben leidvolle Erfahrung mit ähnlichen Fällen: Hinterbänkler,
die sich in Szene setzen und als Verkünder vermeintlich unbekannter
oder zumindest unbequemer Wahrheiten aufspielen. Man sollte sie nicht
so wichtig nehmen.

Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: 0541/310 207