Neue OZ: Kommentar zu Wahlrecht

Ohrfeige für Schwarz-Gelb

Mehrheit ist Mehrheit, und jede Stimme zählt, sollte man meinen.
Doch so einfach ist die Sache bei der Bundestagswahl nicht: Da
mischen sich Mehrheits- und Verhältniswahlrecht, und auch die
Bundesländer spielen noch eine Rolle. Damit sind die Regelungen
ungefähr so kompliziert wie das deutsche Steuerrecht. Manche
Feinheiten und Kuriositäten wie das negative Stimmgewicht und die
Reststimmenverwertung durchschauen fast nur noch Mathematiker.

Was jahrelang ohne Einwände akzeptiert wurde, auch von der
Volkspartei SPD, als sie noch von Überhangmandaten profitierte,
geriet mehr und mehr in die Kritik. Denn die Zahl der Überhangmandate
stieg, weil mehr Parteien als früher in den Bundestag einzogen. Das
führte zu Verzerrungen. Gerade hauchdünne Mehrheiten erfordern aber
besonders exakte politische Spielregeln. Dass Union und FDP bei der
jüngsten Wahlreform die Gesetzesänderung 2011 verspätet und vor allem
im Alleingang durchzogen, erweist sich jetzt als grober Fehler. Denn
das Urteil der Verfassungsrichter ist eine Ohrfeige wegen ihres
Vorgehens.

Was die Juristen „im Namen des Volkes“ nun zum Willen des Volkes
entschieden, bedeutet im Klartext: Möglichst bald muss eine neue,
bessere Regelung her. Vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 sind alle
Eventualitäten zu klären. Das gelingt nur, wenn im Allparteienkonsens
eine einvernehmliche Kompromisslösung zustande kommt.

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