Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Ausstieg aus der Kernenergie
Moralisch und wirtschaftlich
STEFAN SCHELP

Was nützt den Deutschen ein Atomausstieg, wenn
der Nachbar nicht mitmacht? Wenn die französischen Atomkraftwerke
nahe der deutsch-französischen Grenze weiter Strom produzieren? Eines
davon ausgerechnet auf dem Oberrheingraben, einem potenziellen
Erdbebengebiet. Ausgerechnet dort, wo der Westwind nach einer
Katastrophe die Strahlung zu uns, nach Deutschland, treibt. Warum
also abschalten? Weil es moralisch und wirtschaftlich sinnvoll ist.
Moralisch, weil nicht jeder warten kann, dass ein anderer den ersten
Schritt tut. Weil es das Gebot der Stunde ist, das Vor- und
Züruckrudern, das Taktieren und Mauscheln endlich hinter sich zu
lassen. Aber auch wirtschaftlich macht die Abkehr von der Kernenergie
Sinn. Mit der Erkenntnis, dass das Abschalten von Reaktoren
keineswegs zu einer Versorgungslücke führt, muss jetzt alle Kraft in
die regenerativen Energien fließen. Immerhin: 17 Prozent der im
vergangenen Jahr in Deutschland produzierten Energie lieferten Wind,
Wasser, Sonne, Biomasse. In zehn Jahren, schätzen die Experten,
könnte die Quote schon auf 40 Prozent geklettert sein. Und
schließlich, sagt sogar die Bundesregierung, solle bis zum Jahr 2050
die Quote bei 80 Prozent liegen. Für die deutsche Wirtschaft bedeutet
dies eine riesige Chance. Als Vorreiter, die sie im Bereich der
regenerativen Energien ist, kann sie sich zum globalen Marktführer
aufschwingen. Kann Spitzentechnologie in alle Welt exportieren. Das
dient zum Beispiel der Sicherung von Arbeitsplätzen. 2010 verdienten
370.000 Menschen ihr Geld mit Jobs in der Branche der erneuerbaren
Energien. Da ist noch kräftig Luft nach oben. Der Vorsprung lässt
sich aber auch in bares Geld ummünzen. Unternehmen aus der Region,
Gildemeister, Schüco und andere, haben das längst erkannt. Für sie
ist die Solarbranche längst zum wichtigen Wachstumstreiber geworden.
Und auch die Riesen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW, die vordergründig
die Kernenergie so vehement verteidigen, haben längst ihre Sparten
für regenerative Energien kräftig ausgebaut. Wer noch mehr Argumente
will, braucht sich nur an der Börse umzusehen. Da haben Unternehmen
der Solarbranche in den vergangenen Tagen einen Vertrauensbeweis
bekommen, der sich in Abermillionen Euro bemisst. Diesen Schwung
müssen wir mitnehmen. Nach Fukushima muss die Welt eine andere sein.
Eine Welt, in der Atomenergie auf null gefahren wird. In der für die
regenerativen Energien die Sonne nicht nur aufgeht, sondern auch den
hintersten Winkel erleuchtet.

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de