Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Anklage gegen Berlusconi
Rubykon
BERNHARD HÄNEL

Kein Skandal, nicht einmal die Manipulation der
Gesetze zu seinen Gunsten konnte Silvio Berlusconi bislang etwas
anhaben. Er schien nicht nur unangreifbar, er wurde dafür auch noch
bewundert. Seine Teflonbeschichtung war unverwüstlich – alles glitt
an ihm ab. Nun aber spricht vieles dafür, dass der 74-jährige
Antipolitiker über eine Sexaffäre mit dem minderjährigen Partygirl
„Ruby“ zu Fall kommt. Berlusconis Machogehabe hatte den Italienern
offenbar gefallen, ebenso wie sein trickreicher Kampf gegen die
Justiz. Er war attraktiv, weil er einen Ausweg aus dem System der
herkömmlichen und in Italien vollkommen abgewirtschafteten
Parteienherrschaft versprach. Ein Unternehmer, der mit
unternehmerischen Methoden Land und Volk zu neuen Ufern führt, schien
den meisten Italienern wie ein Wechsel auf eine bessere Zukunft. Er
wurde gewählt, geliebt und wiedergewählt. Seine Macht als Medienmogul
war ihm dabei ebenso behilflich wie die Programme seiner Sender, in
denen Sex und Triviales für Einschaltquoten sorgen. Dieser Stich ins
Ordinäre und sein wenig zimperlicher Umgang mit Gesetzen und Richtern
beflügelte die Phantasien eines Volkes, dessen Männer den Machismo
für ein Gottesgebot halten. Nicht von ungefähr sind es vornehmlich
Frauen, die sich gegen Berlusconi stellen. Für sie hatte er bereits
vor der Affäre mit orgiastischen Feten in seinen Privatgemächern den
„Rubykon“ überschritten mit seinen berüchtigten Bunga-Bunga-Partys.
Jetzt, so steht zu hoffen, muss Berlusconi vor Gericht die Hose
herunterlassen und sich der Justiz stellen – für Italien vielleicht
die letzte Chance, von Berlusconi befreit zu werden. Dass es am Ende
gelingt, sich von dieser peinlichen Witzfigur zu trennen und eine
attraktive sowie redliche Alternative an Berlusconis Stelle zu
setzen, bleibt die wahre Herausforderung.

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