Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR
Flüchtlingsstrom
Europa ist gefordert
CARSTEN HEIL

Nur Tage nach den Umstürzen in der arabischen
Welt – und damit viel schneller als erwartet – ist Europa direkt mit
deren Folgen konfrontiert. Bisher sind es in erster Linie Tunesier,
die vor der Unsicherheit im eigenen Land fliehen und sich nach Europa
aufmachen. Am Wochenende haben sich die Dramen vor der italienischen
Mittelmeerinsel Lampedusa wieder zugespitzt. Das ist erst der Anfang.
Denn zu tausenden warten Afrikaner darauf, sich auf den Weg zu
machen. Bisher haben die Despotien des Maghreb die Drecksarbeit für
die reichen Europäer gemacht und die Flüchtlinge daran gehindert,
über das Meer nach Norden zu gelangen. Dadurch hatten sie den
Flüchtlingsstrom, der in den Jahren 2008/09 auf dem Höhepunkt war,
versiegen lassen. Damit ist es nun vorbei. Jetzt muss sich Europa mit
einer neuen Situation auseinandersetzen. Erstens brauchen die
überforderten Italiener Hilfe dabei, die akute Lage zu bewältigen.
Und zweitens muss Europa endlich eine Einwanderungspolitik auf der
Basis des christlich-abendländischen Menschenbildes entwickeln. Schon
viel zu viel Zeit wurde verschenkt, weil es so bequem war
wegzuschauen. Europa darf nicht länger tatenlos zusehen, wie Menschen
ertrinken. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle hat spontan
Tunesien besucht und damit der jungen Regierung den Rücken gestärkt.
Sehr gut. Wo ist eigentlich EU-Außenministerin Catherine Ashton? Die
Entwicklungen in Nordafrika haben eine enorme europäische Dimension,
und die Lady ist abgetaucht. Europa ist stolz auf seine
rechtsstaatlichen Demokratien. Jetzt muss der alte Kontinent zeigen,
wozu diese Demokratien in der Lage sind. Der Zukunft und den Menschen
zugewandt, kann der Kontinent mit einem sinnvollen Konzept am Ende
sogar von den afrikanischen Einwanderern profitieren.

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