Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Klimakonferenz und Klimawandel Eine Frage der Verantwortung THOMAS SCHÖNEICH

Deutschland im November 2011: Auf der 2.962
Meter hohen Zugspitze schmilzt der Schnee. Die Pegelstände mehrerer
Flüsse sind so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. In Bayern
muss die Feuerwehr Waldbrände löschen. Was ist verantwortlich? Das
Wetter. Genauer eine sogenannte Inversionswetterlage: Sonnenschein in
der Höhe, Nebel in den Tälern, kein Wind, der alles
durcheinanderwirbelt, dazu eine seit Wochen anhaltende Trockenheit.
Die Schuldfrage scheint geklärt – doch wer ist eigentlich für das
Wetter verantwortlich? Da Zeus (der war es bei den Griechen), Petrus
(auch wenn der Apostel noch immer mal wieder bemüht wird) und auch
der Wetterfrosch als Schuldige ausfallen, bleibt als Antwort: Wir.
Die sieben Milliarden Menschen dieser Erde, die so viel Kohlendioxid
produzieren, dass die Konzentration des klimaschädlichen
Treibhausgases in der Atmosphäre laut aktueller Studie der
Welt-Meteorologie-Organisation neue Rekordwerte erreicht hat. Man
kann sich natürlich fragen: Was kümmert es mich, wenn es mal etwas
heißer ist oder andernorts heftiger regnet? Doch darum geht es nicht.
Die Erde steht am Scheideweg. Wenn sich die Durchschnittstemperatur
um etwa drei Grad erhöht, wird das grönländische Eisschild
irreversibel anfangen zu schmelzen. Vermutlich würde es 1.000 Jahre
dauern, bis die fast drei Millionen Kubikkilometer vollständig
geschmolzen sind, aber der Meeresspiegel stiege um sieben Meter.
Etliche Küstenstädte wären in ihrer Existenz bedroht. Viel schneller
wird es zu extremen Hitzeperioden mit Schäden in der Landwirtschaft
kommen. Ab Montag treffen sich 15.000 Klimaexperten zur
Weltklimakonferenz im südafrikanischen Durban. Um im Bild zu bleiben,
wird genau dort entschieden, wie das Weltwetter in den kommenden
Jahrzehnten und auch Jahrhunderten ausfallen wird. Schon jetzt gibt
es viele Regionen, die unter den Folgen des Klimawandels leiden.
Einige werden wir in den kommenden zwei Wochen in dieser Zeitung
näher beleuchten. Doch ob akut oder langfristig betroffen,
entscheidend ist, dass in Durban die Weichen dafür gestellt werden,
ob der Klimawandel mit voller Härte zuschlägt oder ob die
Auswirkungen einigermaßen beherrschbar bleiben. Wir tragen heute die
Verantwortung, was wir kommenden Generationen als Last aufbürden.
Doch in der nationalen politischen Großwetterlage spielt der
Klimawandel aktuell kaum eine Rolle. Ein anderes K-Wort, die Krise um
Euro und Staatsschulden, besetzt die Agenda. Selbst die Grünen, deren
zentrale Wurzel die Umweltbewegung ist, diskutieren auf ihrem
Bundesparteitag an diesem Wochenende über Europa, die Demokratie,
Rechtsextremismus sowie über Wirtschafts- und Finanzpolitik – nicht
über den Klimawandel. Die Partei schielt auf das Wahljahr 2013,
Schwarz-Gelb soll abgelöst werden. „Wir wollen Antworten geben auf
die Krisen dieser Zeit“, sagte Grünen-Bundesgeschäftsführerin Judith
Lemke vor dem Parteitag. Eine der großen Krisen dieser Zeit wurde
dabei vergessen.

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