Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar zu
EU und Nordafrika
Moralkeule ist nicht angebracht
MARTINA HERZOG, BRÜSSEL

Endlich will die Europäische Union eine neue
Richtung im Umgang mit den Nachbarn am Mittelmeer einschlagen. Viel
zu lange haben vor allem wirtschaftliche Interessen und Angst vor
Einwanderung das Verhalten Europas bestimmt. Öl aus den
Mittelmeerländern war willkommen, Menschen nicht. Darum, dass der
Rohstoff floss und Flüchtlinge zurückblieben, sorgten sich Leute wie
Libyens Muammar al-Gaddafi. Nun will die EU die Länder Nordafrikas
mit Geld zur politischen Öffnung drängen. Das ist richtig –
allerdings muss Europa aufpassen, dass es sich dabei moralisch nicht
verhebt. Zwar können Handel und Austausch auch mit fragwürdigen
Regierungen angebracht sein. Wer dubiose Regimes isoliert, gibt auch
jede Möglichkeit der Einflussnahme auf. Doch Europas Beziehungen zu
den Machthabern des südlichen Mittelmeers gingen weit über das
wünschenswerte Maß hinaus. Wer lange Jahre mit Diktatoren gekuschelt
hat, sollte mit Ratschlägen zur Demokratie-Bildung zurückhaltend
sein.. Die Länder Europas müssen nicht nur den Nachbarn im Süden
stärker auf die Finger schauen. Sie müssen auch nach innen blicken –
und im Namen der Demokratie ebenfalls auf Geschäfte mit
Folter-Regimes verzichten. Und zwar nicht erst, wenn die sich im
Umsturz befinden.

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