neues deutschland: Gut beraten – Kommentar zum bundesweiten Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)

Die Ankündigung stand seit Donnerstag. Doch kaum
einer glaubte wirklich an einen spürbaren Ausstand der Eisenbahner.
Hätten die kampfeslustigen Lokführer von der GDL dazu aufgerufen, ja,
dann, na klar – doch die spielen in dieser Tarifrunde die
Friedenstauben. Aber die EVG? Wann hat die zuletzt mal richtig
gestreikt?

Genau. Das ist lange her. Und das ist ein Grund, warum ein Zeichen
der Selbstbehauptung nötig war. Abschätzige Sticheleien der
Konkurrenzgewerkschaft, die wollten auch nur mal zeigen, dass sie
streiken können, sind fehl am Platze. Die Streiks sind weder
Selbstzweck noch Eitelkeit von Gewerkschaftschefs, sondern angesichts
der Krise, in der die Bahn steckt, fast schon Notwehr. Denn ausbaden
müssen die massiven Probleme der Bahn nicht nur die Kunden, sondern
vor allem die Beschäftigten in den Zügen, Stellwerken und Bahnhöfen.
Sie leiden unter Personalabbau, Managementdefiziten, Fehlsteuerung.
Bei ihnen hat sich über die Jahre viel Wut angestaut. Die muss
irgendwann mal raus.

In dieser Situation hat die Bahn zwar kein skandalös niedriges,
aber eben auch kein einigungsfähiges Angebot vorgelegt. Es geht um
mehr als das eine Lohnprozent, das die Tarifpartner
auseinanderliegen. Es geht um die Laufzeit und selbstbestimmte
Arbeitszeiten. Und es geht um Gehör und Beachtung für eigene
Vorstellungen, wie der Betrieb wieder funktionstüchtig werden kann.
Die Bahn hat bislang Hunderte Millionen Euro für externe
Beraterfirmen ausgegeben. Der Vorstand wäre gut beraten, diesmal auf
seine Beschäftigten zu hören.

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